Fast 30 Jahre lenkte Klaus Minkel die Geschicke der Stadtwerke Bad Vilbel. Seit dem 1. September ist er im Ruhestand – und Ralph Franke (48) sein Nachfolger als Geschäftsführer des kommunalen Versorgungsbetriebs (wir berichteten). Mit Ralph Franke führte die „Frankfurter Neue Presse“ nachfolgendes Interview:
Was wollten Sie als Kind werden? Etwa Stadtwerke-Chef?
RALPH FRANKE (lacht): Als Kind ist einem sicher noch nicht bewusst, dass die Versorgung von den Stadtwerken kommt. Daher war das damals nicht mein Wunsch. Bis zum Ende meiner Schulzeit war ich mir nie sicher, ob ich eher in die technische oder die wirtschaftliche Richtung gehe. Jetzt mache ich beides.
Sie sind sowohl Geschäftsführer bei den Stadtwerken Bad Vilbel wie auch den Stadtwerken in Viernheim. Wie funktioniert das? Da liegen immerhin knapp 90 Kilometer zwischen…
FRANKE: Das funktioniert gut! Die Fahrzeit nutze ich zum Beispiel schon zum Telefonieren. Außerdem helfen die modernen Kommunikationstechniken, wenn man wie ich zwei Arbeitsplätze hat. Die elektronischen Zugriffe auf das jeweilige System sind standortunabhängig.
Wie viel Zeit verbringen Sie konkret im Dortelweiler Stadtwerke-Gebäude?
FRANKE: Ein bis zwei Tage in der Woche verbringe ich in Bad Vilbel, wobei noch Termine außerhalb von Bad Vilbel hinzukommen, die für die Stadtwerke wahrgenommen werden müssen. Mit einer 40-Stunden-Woche komme ich nicht aus…
Dennoch: Sie führen zwei Unternehmen. Ist diese Doppelbelastung leistbar?
FRANKE: Das ist im Vorfeld sehr genau überlegt worden. Aufgrund der guten Mitarbeiter in der zweiten Ebene funktioniert die Arbeit in beiden Häusern. Meine Aufgabe ist es auch, diesen Wissens-Transfer zwischen beiden Häusern sicherzustellen und die Synergie-Effekte zu finden, ohne dabei drastisch in die individuellen Eigenschaften der jeweiligen Unternehmen einzugreifen. Das ist eine fruchtbare und produktive Zusammenarbeit!
Welche Synergie-Effekte im Sinne von Einsparungen haben Sie bislang gefunden?
FRANKE: Die energiewirtschaftlichen Randbedingungen sind in den letzten Jahren immer komplexer geworden. Es ist permanent erforderlich, sich auf neue rechtliche und regulierungstechnische Rahmenbedingungen einzustellen. Da muss viel Zeit investiert werden. Da ist es sehr effizient, wenn man sich nur einmal einarbeiten muss – und es für beide Unternehmen verwenden kann.
Wird denn in der Folge auch Personal eingespart?
FRANKE: Nein, aber es wird auch kein neues Personal aufgebaut. Was eigentlich notwendig wäre, um die Arbeit optimal zu machen.
Profitieren die Bad Vilbeler von der Kooperation der beiden Stadtwerke? Sinken beispielsweise bald die Strompreise?
FRANKE: Die Bad Vilbeler profitieren zumindest teilweise bereits. Denn nun bieten die Stadtwerke endlich auch Strom im Stadtteil Gronau an, wo bislang E.on dominierte. Es ist sehr aufwendig, Strom in einem anderen Netzbereich anzubieten; durch die Kooperation können die Stadtwerke Bad Vilbel auf die Erfahrungen in Viernheim zurückgreifen.
Gehen Sie bald auch im Gebiet der Mainova wildern?
FRANKE: Die Stadtwerke Bad Vilbel werden ihre Kräfte nicht überall hin verteilen, sondern sie da bündeln, wo es sich lohnt…
Wie sinnvoll ist denn vor diesem Hintergrund die geplante Beteiligung am Kohlekraftwerk in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern?
FRANKE: Das hat nichts mit Kundenbindung zu tun, sondern mit Energiebeschaffung. Die Energiemärkte sind Spielbälle von Spekulanten geworden. Für die Stadtwerke ist es sinnvoll, wenn sie ein Bein in die Strom-Erzeugung steckt. Wir betrachten derzeit alle Arten der Strom-Erzeugung, nicht nur das Lubmin-Projekt. Beispielsweise engagieren wir uns bei einem Off-Shore-Projekt in der Ostsee, also Stromgewinnung durch Windräder. Ich bin davon überzeugt, dass die Zukunft in einer sehr differenzierten Energie-Erzeugung liegt.
Mit wie viel Geld beteiligen sich die Stadtwerke an dem Wind-Park?
FRANKE: Das ist wie im Fall Lubmin noch nicht von den zuständigen Gremien in Bad Vilbel entschieden. Derzeit befindet sich der Wind-Park erst in der Genehmigungsphase – ebenso wie Lubmin.
Würden durch das Windkraft-Engagement die Strompreise in Bad Vilbel sinken?
FRANKE: Das wird sich in den ersten Jahren eher nicht auf die Strompreise in Bad Vilbel auswirken. Aber wir hätten einen stabileren Marktpreis.
Wie sieht es mit Geothermie aus, also Energiegewinnung aus Erdwärme?
FRANKE: Das ist ein sehr interessantes Feld, lebt derzeit allerdings ausschließlich von Subventionen und Förderungen. Die Erschließung kostet Millionen-Beträge. Hinzu kommt, dass wir in Bad Vilbel Heilquellen haben. Dieses hohe Gut könnte durch Bohrungen gefährdet werden und schlimmstenfalls sogar versiegen. Die Bad Vilbeler hätten sicher wenig Verständnis dafür, wenn wir Geld für Projekte ausgeben würden, die für ihre Versorgung nichts bringen.
Radeberger will bis 2012 in Dortelweil seinen neuen Standort errichten. Und braucht für die Bierproduktion viel Wasser. Ist das für die Stadtwerke ein Problem?
FRANKE: Der Leitungsanschluss ist überhaupt kein Problem.
Was ändert sich für die anderen Vilbeler Kunden, wenn so ein Großabnehmer mit am Netz hängt?
FRANKE: Im Moment sehe ich keinerlei Nachteile für den Kunden. Langfristig hilft ein Großabnehmer die Kosten zu tragen, die wir in der Wasserversorgung haben.
Lassen Sie uns etwas in die Zukunft schauen: Wie entwickelt sich der Gaspreis, was kommt auf Ihre Vilbeler Kunden zu?
FRANKE (lacht): Das ist Lesen im Kaffeesatz! Der Gaspreis ist momentan ein ständiges Auf und Ab. Spätestens, wenn die Konjunktur wieder anzieht, wird auch der Bedarf steigen. Damit wird Gas langfristig eher teurer als billiger.
Was können die Stadtwerke tun, um das hiesige relativ niedrige Preisniveau zu halten?
FRANKE: Das ist schwer zu sagen, weil es von sehr, sehr vielen Details abhängt. Wenn Sie mir sagen können, wie der Ölpreis in drei Monaten aussieht, an den der Gaspreis gekoppelt ist, wüssten wir mehr . . . Wenn beispielsweise der Winter warm wird, ist das für den Preis eher günstig.
Die Stadtwerke sind auch für die Vilbusse zuständig. Gibt es unter Ihrer Führung Veränderungen im öffentlichen Personennahverkehr?
FRANKE: Das ist eine wichtige Aufgabe! Die Vilbusse nutzen sogar den Vilbeler Bürgern, die sie nicht nutzen – weil sie dadurch weniger Autos auf den Straßen haben. Daher wird sich grundsätzlich nichts ändern. Das ist auch der Wunsch der Stadt, die dadurch ja auch auf finanzielle Ausschüttungen der Stadtwerke verzichtet.
Behalten Sie auch die bisherige Kultur- und Sportförderung bei?
FRANKE: Als kommunales Unternehmen unterstützen wir diese Aktivitäten in unserem Versorgungsbereich weiter. Das ist Teil einer Bürgergemeinschaft. Wir beschränken uns aber auf das, was in Bad Vilbel ansteht. Die Tatsache, dass die Bürger aber auch günstige Gas- und Strompreise haben wollen, beschränkt uns da natürlich schon.
Wie ist die Kundenentwicklung?
FRANKE: Weil wir in Gronau zugewinnen, stehen wir nicht schlecht da. Wir haben Verluste, aber überschaubare. Die meisten Vilbeler sehen schon die Vorteile, die sie an den Stadtwerken gegenüber einem anonymen Großkonzern haben.
Ihr langjähriger Vorgänger war Klaus Minkel, dessen Fußstapfen viele als sehr groß bezeichnen . . .
FRANKE: Herr Minkel hat in seinen 29 Jahren bei den Stadtwerken sicher eine bemerkenswerte Lebensleistung erbracht. Der Aufbau der Stadtwerke ist eng mit ihm verbunden. Er hat einen unternehmerischen Ansatz, den ich bewundere. Die Fußstapfen von Herrn Minkel werde ich nicht so ausfüllen können, wie er sie hinterlassen hat. Ich hoffe es zu schaffen, die Stadtwerke in eine stabile Zukunft zu führen, die Wettbewerbsfähigkeit und die Unabhängigkeit als kommunales Unternehmen sicher zu stellen.
Wie oft sprechen Sie sich mit Herrn Minkel ab, der jüngst ankündigte, als Null-Euro-Jobber weiter für die Stadtwerke arbeiten zu wollen?
FRANKE: Er war bis zum 31. August Geschäftsführer. Bis dahin haben wir uns natürlich viel unterhalten und die Übergabe gemacht. Seit dem 1. September bin ich Geschäftsführer und Herr Minkel hat, so weit ich weiß, ein paar schöne Tage im Urlaub verbracht. (lacht) Ich weiß nicht einmal genau, wo . . . Ich bin aber froh, wenn ich ihn bei Bedarf um Rat fragen kann, wenn es um Angelegenheiten aus der Vergangenheit geht. Herr Minkel wird weiterhin den „Eigenbetrieb Stadtwerke“ leiten, der jedoch von der Stadtwerke GmbH rechtlich getrennt ist und mit den Versorgungsaufgaben der Stadtwerke GmbH nichts zu tun hat.
Wie lange läuft Ihr Vertrag als Geschäftsführer?
FRANKE: Über meine Vertragsgestaltung sage ich nichts in der Öffentlichkeit, hier bitte ich um Verständnis.
Wo werden die Stadtwerke unter Ihrer Führung in zehn Jahren stehen?
FRANKE: Wir wollen weiterhin in den Köpfen und Herzen unserer Kunden und Eigentümer – schließlich gehören die Stadtwerke den Bürgern der Stadt Bad Vilbel – als der zuverlässige, nachhaltige, preiswerte und vertrauenswürdige Energieanbieter fest verankert sein. Die Versorgung der Stadt Bad Vilbel und die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter werden dann hoffentlich genauso sicher sein wie heute.
Wir danken für das Gespräch.
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ZUR PERSON
Ralph Franke ist Jahrgang 1961, verheiratet, hat einen Sohn. Nach dem Abitur folgten Ingenieur-Studium in Erlangen und Promotion in Karlsruhe.
Er arbeitete drei Jahre in der Raumfahrtindustrie bei Dornier am Bodensee, wo er sich unter anderem mit der Versorgung bei Mondprojekten befasste. Sechs Jahren Beschäftigung bei den Stadtwerken Nürnberg folgte der Wechsel nach Viernheim, wo er seit zehn Jahren Geschäftsführer der Stadtwerke ist.
Seit dem 1. September dieses Jahres ist er auch Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Vilbel.
Frankes Hobbys sind Segeln und klassische Musik. (zlp)
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DIE STADTWERKE BAD VILBEL IN ZAHLEN
Umsatz 2008: 35 Millionen Euro
Bilanzsumme 2008: 45 Millionen Euro;
Mitarbeiter: 45, ein Azubi;
Gas-Abgabe 2008: 318 Millionen Kilowattstunden;
Strom-Abgabe 2008: 88 Millionen Kilowattstunden;
Wasser-Abgabe: rund zwei Millionen Kubikmeter;
Anzahl der Stromzähler: etwa 18 000;
Anzahl Gaszähler: etwa 7500;
Anzahl Wasserzähler: etwa 7500.
Geschäftsführer Ralph Franke führt die Stadtwerke Bad Vilbel mit dem technischen Leiter Klaus Rotter und dem kaufmännischen Leiter Rüdiger Milke; den abgetrennten Eigenbetrieb für die Immobiliengeschäfte verantwortet weiter der ehemalige Stadtwerke-Chef Klaus Minkel – allerdings ehrenamtlich. (zlp)