Bad Vilbel. „Mit dem Struwwelpeter hat Heinrich Hoffmann das erste moderne Bilderbuch geschaffen.“ Professor Hans-Heino Ewers, Direktor des Institutes für Jugendbuchforschung an der Universität Frankfurt, berichtete auf Einladung des Deutschen Frauenrings vor rund 40 Zuhörern im Kurhaus über den Gelegenheitsschriftsteller Hoffmann (1809 bis 1894), der hauptsächlich als Arzt und Psychiater in Frankfurt wirkte.
Der Begründer der „Anstalt für Irre und Epileptiker“ in der Mainmetropole sei eine vielseitig tätige und künstlerisch interessierte Persönlichkeit gewesen, so Ewers. Das Bilderbuch, mit dem Hoffmann weltweit bekannt wurde, war von Hoffmann als Geschenk für seinen Sohn Karl zu dessen drittem Geburtstag und nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen.
Erst ein Verleger habe Hoffmann zur Publikation überreden können. Beide hätten nicht geahnt, welchen Erfolg das kleine Büchlein haben würde. Hoffmann, der gezeichnet sowie Satiren, Dramen und Gedichte geschrieben habe, habe es bedauert, dass gerade dieses für ihn weniger bedeutende Werk „so viel Resonanz erzielte und alles andere, was er machte, in den Schatten stellte“.
So hat Hoffmann in Gedichten Stellung zur politischen Situation des Landes zur Zeit des Vormärz genommen und ein im „Toleranz-Edikt“ verfasst. „Der Struwwelpeter ist in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden und erscheint nun in der 546. Auflage“, erklärte Ewers.
Der Erfolg resultiere auch daraus, dass Hoffmann ein Werk geschaffen habe, in dem Wort und Bild gleichberechtigt seien. Dies sei vor allem für Kinder interessant, denn diese würden zuerst das Bild wahrnehmen. Auch gefalle ihnen das karikaturistische an den Geschichten, sie seien oftmals „fasziniert von den ungelenken, verschrobenen und bizarren Figuren“ und teilten nicht den Sinn der Erwachsenen für deren Ästhetik, erläuterte Ewers.
Zudem seien die teils derben Geschichten im Struwwelpeter für Kinder ein Angebot, ihre Fantasien auszuleben. Dadurch, dass es Hoffmann gelungen sei, dem Leser die Distanz zu den Figuren zu ermöglichen, könnten Kinder in den Geschichten ihre Wut oder Aggression ausleben, erklärte Ewers.