Veröffentlicht am

Heimspiel für den Minister – Nach 150 Tagen im Amt zieht Chef des Justizministeriums Bilanz • Hahn: Bis 39 können sogar Juristen zählen

Bad Vilbel. „Es gibt einfach kein Wochenende in diesem Job“ – das hat Staatsminister Jörg-Uwe Hahn in 150 Tagen seiner Amtszeit als hessischer Justizminister gelernt. In einer gut besuchten Veranstaltung im City-Hotel sagte der in Dortelweil wohnende 52-jährige FDP-Politiker, „ich weiß nicht, warum die Jungs und Mädels sich überlegen, dass das immer am Wochenende sein muss“.

Haftanstalt Preungesheim IV vor drei Wochen: „Da gelingt es einem hoch gelenkigen Algerier aus der relativ gut gesicherten Haftanstalt herauszukommen, natürlich an einem Wochenende.“ Da habe es wohl für einen Justizbeamten die Schwierigkeit gegeben, bis 39 zu zählen, „wo das doch sogar ein Jurist schafft“.

Der Justizminister habe die Erstmitteilung, es habe sich um einen Abschiebehäftling gehandelt, korrigieren müssen. „Da muss mehr vorliegen, wenn einer nach einem halben Jahr in Preungesheim sitzt“, habe man sich alsbald gesagt und hatte Recht.

Hahn handelte nach einer Devise, die er sich in seinem Amt vorgenommen hat: „Wir haben das sofort korrigiert. Das waren wir den Journalisten schuldig. Wir machen so etwas transparent.“ Das habe er von einem früheren Baden-Württemberger Justizminister gelernt. Seine Mitarbeiter sollen sich vom Chef beschützt fühlen.

An einem Freitagmorgen während des Abiturs merken Schulleitungen, dass eine Mathematikaufgabe nicht lösbar ist. Die „Partei- und persönliche Freundin“ Hahns, Dorothea Henzler, habe „sicher das Wochenende ein bisschen verstreichen lassen“. Prompt wurde angenommen, dass der Fehler bei ihr liege. Hahn: „Seitdem ist alles, was in der Schulbürokratie seit Jahrzehnten falsch gelaufen ist, ein Fehler der Ministerin“. Er, ganz Landesvorsitzender: „Ich hoffe, dass sie nach den Ferien einen neuen Start bekommt“.

Über Arbeit hat Hahn offenbar nicht zu klagen, ist er doch auch Mitglied im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Er nehme die Aufgaben nur als Stellvertreter von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wahr. In der Ministerpräsidentenkonferenz ist er gleichfalls vertreten, und das gleich für drei Ressorts. Vergangene Woche hatte er Sitzungen zweimal in Dresden und einmal in Hannover. Am Tag nach seinem Vortrag in Bad Vilbel saß er schon wieder im Flieger, ab nach Berlin.

Privaten Ärger hat Hahn auch. Neulich brannten zwei Papiercontainer vor seinem Haus in Dortelweil. Das ging, obwohl die Polizei jede Stunde mit einem Streifenwagen vor dem Haus Präsenz zeige. Die Unholde hätten wohl den Ehrgeiz gehabt, rechtzeitig vor dem pünktlichen Wiedereintreffen der Streife stiften zu gehen.

Der Liberale hat mit seiner Zuständigkeit für Hessen in Europa grundsätzlich seine Meinung geändert. „Wie 95 bis 98 Prozent der Bevölkerung“ habe er gefühlt, Europa sei unwichtig. „Die Glühbirnendiskussion brachte mich aus der Fassung wie den Bundesvorsitzenden.“ In Fraktionssitzungen habe er das Thema Europa immer auf den Punkt Verschiedenes geschoben, in der Hoffnung, dass dieser Punkt dann der Vergessenheit anheim fällt. Jetzt aber habe er seine Meinung „um 180 Grad“ gedreht. 70 Prozent der Gesetze, die in Hessen gelten, hätten ihren Ursprung in Brüssel, nur 20 Prozent in Berlin und nur fünf Prozent in Hessen selbst. Heute sage er: „Gäbe es die Europäische Union nicht, so müsste sie erfunden werden“.

Minister Hahn: „Das ist ein Job, den ich schon seit zehn, fünfzehn Jahren machen möchte“.