Karben. Alles begann harmlos: Offensichtlich fehle in den an die Stadtverordneten ausgeteilten Unterlagen ein Passus des Vertrages der Stadt mit der Hessischen Landgesellschaft (HLG), monierte SPD-Fraktionschef Thomas Görlich. Die HLG soll das 4,3 Hektar große Baugebiet erschließen und die rund 70 Grundstücke verkaufen, die Stadt erhält dafür einen Obolus.
Den Fehler räumte Baudezernent Gerd Rippen (Grüne) ein, bat mehrfach um Verzeihung. In letzter Minute seien noch Änderungen des Notars eingearbeitet worden. Diese Änderungen waren den Stadtverordneten auf einem Austauschblatt zu der Sitzung ausgeteilt worden. Durch die Änderung war aber ein kurzer (und unveränderter) Passus von der Seite verdrängt worden – so dass dieser beim Austausch der Seite in den Originalunterlagen dann fehlte.
Stadtrat Rippen erklärte das in der Sitzung genau und wies darauf hin, dass jeder Stadtverordnete sämtliche Teile des Vertrages damit dennoch kenne. Nach den Bedenken von Görlich bat er die Parlamentarier um eine förmliche Zustimmung, dass sie sämtliche Vertragsteile gesehen hätten. „Das werden wir nicht bestätigen“, stellte sich der SPD-Mann aber quer.
„Dann werden wir heute nicht abstimmen können“, seufzte CDU-Fraktionsvize Guido Rahn. Denn im Prinzip sind der Vertrag und das Baugebiet selbst weitgehend unstrittig. Doch Brigitte Ridder (SPD) legte gleich noch nach: Auch sei ein Spielplatz gesetzlich vorgeschrieben, die Koalition aus CDU, FWG und FDP aber habe diesen aus der Planung gestrichen.
Rippen widersprach: Nicht die Stadt oder HLG müssten Spielmöglichkeiten bereitstellen, sondern künftige Bauträger. „Der Bebauungsplan kann so beschlossen werden“, sagte Rippen.
Dass sie diese Bedenken nicht bereits in der Ausschusssitzungen anmeldeten, kreideten die Koalitionäre den Genossen an. „Diese Art und Weise der Beschlussfassung wird der Wichtigkeit des Beschlusses nicht gerecht“, sagte CDU-Fraktionschef Mario Beck. „Wenn Unsicherheiten bestehen, stellen wir es um eine Sitzung zurück.“
Dem stimmte FDP-Stadtverordneter Oliver Feyl zu. „Das tut uns zwar für die HLG leid, ist aber auch besser für diese.“ Gerd Rippen bat die Parlamentarier „im Namen der HLG um Zustimmung“. Er sehe nicht, warum man der HLG Zinsverluste bescheren solle.
Angesichts des drohenden Platzens des Beschlusses ruderte SPD-Fraktionschef Görlich zurück. In einer Sitzungspause hatte er sich den Vertrag erneut angeschaut, auch wurde der neu kopiert und den Stadtverordneten ausgeteilt. Zudem wurde klar, dass alle Fraktionschefs den endgültigen Gesamtvertrag bereits mittags per E-Mail vollständig aus dem Rathaus erhalten hatten – auch Görlich.
„Wir haben keine Einwände mehr“, beschwichtigte der SPD-Fraktionschef daraufhin. „Es gibt keine Bedenken mehr, dass jemand den Vertrag nicht gesehen hat.“
Doch zu spät: „Ich will Rechtssicherheit“, forderte FWG-Fraktionschef Michael Ottens. Es sei ein Armutszeugnis der Verwaltung von Stadtrat Rippen, wenn sie sich einem Investor gegenüber „eine solche Vorstellung“ leiste. Nun soll das neue Baugebiet am 3. Juli in der nächsten Parlamentssitzung beschlossen werden. (den)