Karben. Angst und Bange, vergeben und vergessen oder etwas fällt wie Schuppen von den Augen – all diese Redewendungen und viele mehr, dazu Wortneuschöpfungen gehen auf das Konto von Martin Luther. Der Reformator war allerdings auch ein Kind seiner Zeit. Das vermittelte Dr. Regina Toepfer, die an der Frankfurter Goethe-Universität habilitiert, auf Einladung des Geschichtsvereins Karben in ihrem Lichtbildervortrag „Luthers Bibelübersetzung und ihr Einfluss auf die Entwicklung unserer jetzigen – so genannten neuhochdeutschen – Sprache“.
Rund 30 Zuhörer fanden sich am Mittwochabend im Clubraum 1 des Bürgerzentrums ein, um den Ausführungen Toepfers zu lauschen. 488 Jahre zuvor, am 4./5. Mai 1521 war Martin Luther auf Geheiß des Kurfürsten Friedrich von Sachsen, mit Wissen Luthers, entführt und auf die Wartburg gebracht worden. Im Dezember 1521 habe Luther sich dann zur Übersetzung der Bibel entschlossen, erzählt Toepfer. Im Mittelalter ist die Bibel in der lateinischen Sprache bekannt. Elf Wochen später hat Luther es geschafft. Im September 1522, pünktlich zur Leipziger Messe, erscheint der Erstdruck des Neuen Testaments in deutscher Sprache. Nach vielen Neuauflagen und übersetzten Teilausgaben liegt 1534 die erste vollständige deutsche Bibelfassung vor.
Luther, der als Mönch das Bibelstudium aufnimmt und in Wittenberg als Dozent lehrt, beschäftigt sich auch mit der griechischen und hebräischen Sprache – die frühen Sprachen der Bibel. Hierin erweist sich Luther als Zeitgenosse, denn der Humanismus forderte, so Toepfer, eine Rückbesinnung auf die antiken Quellen. Mit der Erfindung des Buchdruckes erlebt das Medium Buch einen enormen Aufschwung und auch erste Drucke der Bibel in deutschem Dialekt, liegen vor Luther vor. Das Problem, das Hochdeutsche gibt es nicht, es herrschen Dialekte vor, eine allgemein-verständlichere Kanzleisprache etnwickelt sich, so Toepfer.
Luther, der die Bibel allen Menschen an die Hand geben möchte, schaut dem Volk auf’s Maul. Sprachgewaltig übersetzt Martin Luther, in Kenntnis der Vorläufer, die heilige Schrift, reich an poetischen Bildern und melodischer Satzführung. Eine Passage stellt Toepfer in einem direkten Textvergleich vor: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, er weidet mich auf grünen Auen und führet mich zum frischen Wasser – eine Textpassage, die man so, mit diesen sinnlich-greifbaren Bildern in der lateinischen Bibel wie in den zeitgenössischen deutschen Übersetzungen vergeblich sucht.
Luthers Bibelübersetzung wurde ein Erfolg und damit verbreitete sich die deutsche Hochsprache. Schon bis zu seinem Tod 1546 wurde laut Toepfer die Bibel über 350-mal vollständig oder in Teilen nachgedruckt. (cwi)