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»Briefe aus dunkler Zeit«

Karben. Pünktlich zu den Karbener Literaturtagen veröffentlicht das Literaturforum sein neues Buch »Briefe aus dunkler Zeit«. Dafür haben die Herausgeber ihre Familienarchive durchforstet. Das Buch gibt Einblicke in die Gedanken von Eltern, Großeltern, Kindern und Ehemännern.
Ein Buch, das den Alltag im Krieg unverblümt zeigt, die Gedanken der einfachen Bevölkerung offenlegt – das haben Hans-Martin Thomas, Claudia Weishäupl, Herbert Schuch und Dr. Hans Kärcher vom Karbener Literaturforum geschaffen. »Briefe aus dunkler Zeit« gibt Einblicke, wie das alltägliche Leben für die Menschen im Zweiten Weltkrieg war. Die vier Herausgeber haben dafür ihre Familienarchive durchforstet. Mehrere Konvolute von Briefen haben es dabei in das Buch geschafft.
Die Briefe des ersten Konvoluts hat Schuch bearbeitet. Sie stammen nicht von seiner Familie, sondern sie wurden ihm von den Nachkommen der Familie überreicht. Die Post haben die Eltern und Großeltern von Otto an ihn aus Karben gesendet. Sie haben an ihren Otto geschrieben, der als Soldat im Krieg kämpfte. »In den Briefen kann man die Stimmungslage nachvollziehen«, sagt Kärcher. So habe die Familie anfangs noch auf den »Endsieg« gehofft. Die Schriftstücke würden die Indoktrination der Bevölkerung verdeutlichen.
Briefwechsel
unter Soldaten

Nur ein Brief von Otto selbst liegt den Herausgebern vor. Darin hat er an seinen Freund Heinrich geschrieben. Ungewöhnlich sei, dass der Brief maschinengeschrieben ist und in Großbuchstaben getippt wurde. Daraus lasse sich schließen, dass Otto als Fernmelder auf Kreta tätig war und den Brief mit einer Maschine schreiben konnte, mit der sonst gemorst wurde.
Das zweite Konvolut stammt aus den Archiven von Hans-Martin Thomas. Es sind die Briefe, die sein Vater Ferdinand Thomas an seine Frau Martha geschickt hat. »Im Prinzip sind es Liebesbriefe«, sagt Kärcher. Zuerst kämpfte Ferdinand Thomas an der Westfront, wurde dann an die Ostfront verlegt, wo er verwundet wurde. Aufgrund dieser Verletzung kam Ferdinand Thomas wieder nach Hause. Ansonsten wäre er wohl nach Stalingrad geschickt worden. Zwischen 1937 und 1941 schrieb er an seine Frau Martha. Im Buch des Literaturforums wurden die Briefe alle abgetippt.
Im dritten Konvolut hat Hans Kärcher Briefe von seiner Familie veröffentlicht. So hat sich Post von seiner älteren Schwester Elke erhalten, die als 15-Jährige das Ende des Krieges beschreibt. Aber auch alltägliche Szenen finden ihren Eingang in die Briefe von Elke Kärcher. Auch ein Schreiben von Kärchers Großvater blickt auf das Kriegsende. Er schildert die Ankunft der Alliierten in Offenbach. Im Original hat Kärcher einen Brief seiner ebenfalls älteren Schwester Christa abdrucken lassen. Sie ist zu diesem Zeitpunkt acht Jahre alt gewesen und hat an ihre Großeltern geschrieben. In ihrer Post schildert das junge Mädchen in wenigen Worten wie sie den Tag über draußen spielt und das es ihr »nicht recht« sei, dass die Wohnung zerstört wurde.
Den Abschluss der Konvolute macht eine Abschrift der Erinnerungen von Claudia Weishäupls Vater, der als »Übersetzer von Feindpropaganda« tätig war. Bei dem Beitrag handelt es sich also nicht um einen Brief. Erich Löw erinnert sich in diesem Beitrag, der 2003 niedergeschrieben wurde, an seine Kindheit zu Zeiten des NS-Regimes, seine Zeit als Übersetzer und an die Zeit, als er in Kriegsgefangenschaft war.
Im Buch sind weiterhin einige Auszüge von berühmten Literaten der Zeit zu finden sowie einzelne Dokumente aus der Zeit – darunter zum Beispiel ein Flugblatt der Alliierten, das die Soldaten zum Niederlegen ihrer Waffen aufruft und auf die Genfer Konvention hinweist.
Idee entstand
im Literaturforum

Die Idee für das Buch entstand bei einer Veranstaltung des Literaturforums am 23. April 2023. Zum 80. Jahrestag der Schlacht um Stalingrad hatte das Literaturforum einen Abend organisiert, an dem Werke von berühmten Literaten aus der Kriegszeit sowie eigene Unterlagen vorgetragen wurden. »Die jungen Leute fanden die eigenen Briefe gut«, blickt Hans Kärcher auf den Abend zurück. Im Herbst 2024 haben die vier Herausgeber begonnen, das Buch zusammenzustellen. Sie haben ausgewählt, welche Briefe abgedruckt werden.
Das Buch »Briefe aus dunkler Zeit« des Literaturforums ist im Eigenverlag entstanden. Es wird im Rahmen der Karbener Literaturtage am Montag, 17. März, 19.30 Uhr, im Kuhtelier vorgestellt. Alle vier Herausgeber werden anwesend sein und einen Teil vorlesen. Das Buch kann gegen eine Spende an das Literaturforum erworben werden.
Von Jennifer Ningel

Die Karbener Literaturtage
Leon de Winter »Stadt der Hunde«; Freitag, 14. März, 19 Uhr, Bürgerzentrum
Vincent Kliesch »Tödlicher Schall«; Samstag, 15. März, 19 Uhr, Bürgerzentrum
Andreas Arnold »Fionrirs Reise« (Kinderbuch); Sonntag, 16. März, 15 Uhr, Stadtbücherei
Literaturforum »Briefe aus dunkler Zeit«; Montag, 17. März, 19.30 Uhr, Kuhtelier
Martin Becker »Die Arbeiter«; Dienstag, 18. März, 19.30 Uhr, Kuhtelier
Ingrid Noll »Gruß aus der Küche«; Freitag, 21. März, 19.30 Uhr, Kuhtelier
Bodo Kirchhoff »Seit er sein Leben mit einem Tier teilt«; Samstag, 22. März, 19 Uhr, Stadtbücherei
Sven Gerhardt »Die Heuhaufen-Halunken« (Kinderbuch); Sonntag, 23. März, 15 Uhr, Stadtbücherei. jni