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Wie die Großeltern lebten

Der Rohrstock gehörte wie Ranzen, Schiefertafeln, Schwämmchen und Griffel zum Unterricht. Foto: Fauerbach
Der Rohrstock gehörte wie Ranzen, Schiefertafeln, Schwämmchen und Griffel zum Unterricht. Foto: Fauerbach

Karben. Die Museumsführungen von Monika Heinz sind bei Karbener Grundschülern beliebt. Jedes Jahr führt die Pädagogin im Ruhestand zwölf dritte und vierte Klassen durch das Landwirtschafts- und Heimatmuseum Karben, um ihnen das Leben früherer Generationen in der Stadt näherzubringen.
»Karben früher und heute« lautete das Thema für die Klasse 3a im Sachkundeunterricht bei Julia Ziegler an der Selzerbachschule. Vertieft wurde der Lehrstoff für die Drittklässler anschaulich kurz vor den Sommerferien mit einem Besuch im Landwirtschafts- und Heimatmuseum Karben.
Im Trauzimmer des Schlosses begrüßten die jungen Besucher Monika Heinz und Rainer Obermüller vom ehrenamtlichen Museumsteam des Karbener Geschichtsvereins.
Rainer Obermüller zeigte den Mädchen und Jungen die große Sammlung an landwirtschaftlichen Gerätschaften und Fahrzeugen: »Die ist bei uns sehenswert. Wir haben kaum Lücken in der Ausstellung. So können die Besucher die landwirtschaftliche Entwicklung von knapp 200 Jahren sehen und nachvollziehen.«
Monika Heinz führt die Schüler durch die umfangreichen, in verschiedene Bereiche gegliederten Sammlungen des Museums. Die Bandbreite der Exponate reicht von Bauernhof und Milchwirtschaft über Haushalt mit Kochen und Kleidung; Waschen, Bügeln, Mangeln und vielem mehr bis zu Freizeit und Spielen.
Die Grundschüler bestaunten Waschbrett, Zuber und Mangel, aber auch eine Elle und ein mit heißen Steinen gefülltes Bügeleisen. »Damals mussten Frauen im Haushalt ganz schwer arbeiten«, informiert die ehemalige Lehrerin für Kunst- und Gesellschaftslehre die Schülerinnen und Schüler. Weitere Themen sind »Schneidern und Handarbeiten« oder »Einkaufen«. Dazu gehen die Besucher mit der Museumsführerin in den ehemaligen Kaufladen von Emma Taschner, der in der Bahnhofstraße 25 war. Dort kauften vor allem Frauen in den 1950er-Jahren Lebensmittel wie Mehl, Zucker, Reis oder Senf und Sauerkraut aus dem Fass – »lose«, sprich unverpackt – ein. Zudem gab es bei Taschners auch nützliche Helfer wie Mäusefallen. Das Kolonialwarengeschäft befand sich von 1890 bis zur Schließung 1976 ununterbrochen im Besitz der Familie Taschner.
Kanne schleudern,
Milch nicht verlieren

Monika Heinz zeigte den Schülern das große Bonbonglas in dem Herr Taschner die Zitronenbonbons für die Kinder aufbewahrte, die bei ihm einkauften. Und sie berichtete vom beliebten Spiel »Milchkannenschleudern« der Kinder. »Wer seine Milchkanne schleudern konnte, ohne dass ein Tropfen Milch auslief, der bekam von den Mitspielern einen Klicker, eine Murmel, geschenkt.«
Beim Bedienen der Kunden wurde die Pädagogin Heinz spontan von Chefverkäuferin Sami unterstützt. Die Ware auf verschiedenen Waagen mit Hilfe unterschiedlicher Gewichte wiegen, war für Sami ebenso ungewohnt wie das Bedienen der Kasse. Kopfrechnen war beim Kassieren und Geldwechseln gefragt.
In jeder Abteilung verband Monika Heinz die Vorstellung der Exponate mit einer Geschichte. »Alles im Museum hat mit Menschen zu tun. Dieser Henkel eines Kruges ist 1000 Jahre alt. Früher hatte eine Frau ihn in der Hand, in ihrem Krug hatte vielleicht Öl aufbewahrt. Heute halten ihr und ich ihn in der Hand und in 30 Jahren vielleicht eure Kinder.«
Große Anteilnahme zeigten die Schüler am Schicksal der Groß-Karbener Juden um 1930. »Ihr seid die künftige Generation, die aufpassen muss, dass nie wieder Menschen erschossen oder vergast werden, nur weil Leute behaupten, dass sie weniger als sie oder nichts wert gewesen seien. Denkt immer daran, wir sind hier alle zu Hause und müssen zusammenhalten, egal welche Farbe Eure Haare oder Eure Haut haben.«
Mit Griffeln über
Tafeln gekratzt

Danach ging es weiter in das historische Klassenzimmer aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit alten Schulbänken, Tischen mit Fächern für Tintenfass und Federn, Schiefertafeln mit Schwämmchen und alten Lederranzen.
Ihre strengen Lehrer ärgerten die 40 und mehr Schüler, indem sie alle mit ihren Griffeln über die Schiefertafeln kratzten. Zu allen Zeiten habe es immer wieder sehr engagierte Lehrer gegeben, wie etwa Hans Watzka, der seinen Schülern eine Landkarte malte, die heute im Museum aufgehängt ist.
Monika Heinz sagt: »Mein Anliegen ist es, Kindern und auch allen anderen Besuchern Geschichte anhand von Menschen, ihrem Leben und ihrem Schicksal greifbar zu machen. Gespannt bin ich immer auf die Fragen der Kinder.« Von Christine Fauerbach