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»Macht etwas Außergewöhnliches«

Mut zu unkonventionellem Unterricht: Szene aus der Premiere der Wiederaufnahme von »Club der toten Dichter«. Foto: Eugen Sommer
Mut zu unkonventionellem Unterricht: Szene aus der Premiere der Wiederaufnahme von »Club der toten Dichter«. Foto: Eugen Sommer

Bad Vilbel. Es war die letzte Premiere im Burghof in diesem Festspiel-Sommer und sie wurde vom Publikum begeistert aufgenommen: die Wiederaufnahme des Schauspiels »Der Club der toten Dichter«, das auf dem gleichnamigen Film basiert.
Das Schauspiel inszenierte bereits im vergangenen Jahr Milena Paulovics; bis auf eine Schüler-Rolle ist die Besetzung unverändert. Zu Beginn findet sich das Publikum selbst als Teil des Stückes: als Gäste der Feierstunde zum Start ins neue Schuljahr am Welton-Internat, eine Schule für Jungen, deren Ziel es ist, Nachwuchs für die Elite-Universitäten hervorzubringen, und auf deren Prinzipien »Tradition, Ehre, Disziplin und Leistung« der Schulleiter (Peter Albers) die Schüler einschwört. Die setzen dem die Prinzipien »Travestie, Ekel, Dekadenz und Lethargie« entgegen, jedoch nur, solange sie unter sich sind. Vätern und Lehrern, die ihnen die Lebens- und Karrierewege aufzwingen, entgegnen sie nur mit einem »Ja, Sir«.
Welt mit eigenen
Augen wahrnehmen

Bis der neue Englischlehrer John Keating (Ralph Hönicke), der ebenfalls »als Schüler in der Welton-Hölle geschmort hat«, wie er sagt, sie auffordert: »Macht etwas Außergewöhnliches aus eurem Leben!« und sie mit seinem unkonventionellen Unterricht ermutigt, die Welt mit eigenen Augen wahrzunehmen und dazu auf einen Tisch steigen lässt. Sie erkennen, dass die Welt von dort oben schon ganz anders aussieht. Besonders der Schüler Neil Perry (Sebastian Zumpe) ist fasziniert von seinem neuen Lehrer. Er entdeckt, dass der in seiner Welton-Zeit dem »Club der toten Dichter« angehörte, der sich im Geheimen traf, um sich mit Lyrik zu beschäftigen und um »das Mark des Lebens aufzusaugen«. Er und seine Mitschüler rufen diesen Club wieder ins Leben und stärken sich gegenseitig. Ende der Fünfziger-/Anfang der Sechzigerjahre ist das etwas Ungeheuerliches.
Todd Anderson (Friedemann Eckert), anfangs schüchtern und stotternd und im Schatten seines erfolgreichen älteren Bruders stehend, ist schließlich zu einem »barbarischen Yawp« fähig – ein langer Schrei, für den Friedemann Eckert Szenenapplaus bekommt. Knox Overstreet (Jonah Winkler) fasst Mut und ruft seinen Schwarm Chris Noel (Fee Zweipfennig) an und verabredet sich mit ihr. Und Neil Perry entschließt sich, Schauspieler zu werden und nicht Mediziner, wie es sein Vater ihm vorschreibt. Doch damit scheitert er tragisch.
Trotz aller Ernsthaftigkeit hält das Stück auch Humorvolles fürs Publikum bereit, etwa als Steven Meeks (Poki Wong) einen meterlangen Zettel ausrollt, um sein selbstverfasstes zweizeiliges Gedicht vorzutragen.
Akzente mit
Lichteffekten

Viele Besucherinnen und Besucher kannten den Film oder hatten die Inszenierung bereits im vergangenen Jahr gesehen. »Das Stück in der Burg hat mich mehr berührt als der Film«, sagte eine Besucherin. Was sicher auch am Bühnenbild liegt, mit dem Ausstatterin Pascale Arndtz das alte ehrwürdige Gemäuer des erzkonservativen Internats darstellt und in dem auch mit Lichteffekten besondere Akzente gesetzt werden.
Sie war schon in der vorherigen Spielzeit für die Ausstattung zuständig. Den Schülern in Uniform und den Eltern und Lehrern in grau, blau und beigefarbenen Anzügen setzt sie kontrastvoll die Mädchen in bunten und hellen Kleidern entgegen – Chris Noel, in die sich Knox Overstreet verliebt, sowie Tina und Gloria (Fee Zweipfennig und Alice von Lindenau), die Charlie Dalton (Steffen Weixler) mitnimmt zum Club der toten Dichter, wo die beiden die Jungs mit einem Gedicht Lord Byrons beeindrucken.
Tradition und Gehorsam auf der einen Seite, selbstständiges Denken und neue Wege auf der anderen Seite – »O Captain, mein Captain«. »Der Club der toten Dichter« ist ein Plädoyer für die Entfaltung des Geistes und der Poesie, das nachwirkt. Von Christiane Kauer