Bad Vilbel. Seit der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 sind viele Ukrainerinnen und Ukrainer aus ihrer Heimat geflüchtet. Im April vergangenen Jahres entschloss sich Natalia Navolotska die Stadt Cherson zu verlassen. Ihren Ehemann musste sie zurücklassen. Mit ihrer 15-jährigen Tochter kam sie nach Bad Vilbel. Auf dem Heilsberg fanden sie sich in einer Zweizimmerwohnung wieder. Bad und Küche teilen sie sich mit einer fremden Familie. Ihre 26-jährige Tochter ist ein halbes Jahr vor Kriegsbeginn nach Polen ausgewandert. Nun ist ihre kleine Familie auf Mittel- und Osteuropa verteilt.
Aktuell leben rund 700 Menschen aus der Ukraine in Bad Vilbel, informiert die Stadtverwaltung auf Anfrage dieser Zeitung. Der Strom an Geflüchteten reist nicht ab. Durch das Landesaufnahmegesetz rechnet die Stadt Bad Vilbel damit, dass »wir pro Woche zwischen sechs bis zwölf neue Personen unterbringen müssen«.
Keine Rückkehr
in die Ukraine möglich
Eine kleine Auszeit vom Alltag gönnt sich die 44-Jährige Ukrainerin im Bad Vilbeler Kleiderladen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). »Sie kauft hier seit mehreren Monaten fast täglich ein«, sagt Silke Zuschlag, Leiterin des Kleiderladens. »Ihre Geschichte ist herzerwärmend. Ich habe sie in der Zeit lieb gewonnen.«
Für Navolotska folgte in den letzten beiden Monaten ein Schicksalsschlag auf den nächsten. Zunächst kündigen ihre Vermieter ihre Wohnung auf dem Heilsberg aufgrund »von Veränderungen«, wie Silke Zuschlag sagt. Sie ist die Vermittlerin im Gespräch mit der Ukrainerin und hat im Vorfeld alle nötigen Informationen zusammengetragen. Bis zum 31. Juli müssen Navolotska und ihre Tochter diese Wohnung nun räumen.
Der nächste Schlag folgte als Mitte Juni der Kachowka-Staudamm am Fluss Dnipro zerstört wurde. Auch die zweifache Mutter ist von dieser Katastrophe betroffen. »Ihr Haus in der Ukraine ist durch das Wasser zerstört worden«, sagt Zuschlag. Zwar besitze die selbstständige Optikerin noch zwei Geschäfte in der Ukraine, doch »eine Rückkehr in die Heimat schließt sie aus«, ergänzt Zuschlag.
Daher sei eine neue Wohnung in Bad Vilbel oder im direkten Umland die einzige Alternative. Eine Unterbringung in eine Gemeinschaftsunterkunft der Stadt stelle ein »Rückschritt« für Navolotska dar, sagt Zuschlag.
Stadtsprecher Yannick Schwander informiert, dass derzeit insgesamt 117 Ukrainerinnen und Ukrainer in städtischen Unterkünften leben. Dementsprechend habe der Großteil der Geflüchteten eine Mietwohnung in der Quellenstadt gefunden. »Natalia arbeitet aktuell in einem Bad Vilbeler Gastronomiebetrieb als Köchin. Sie besitzt kein Auto und muss alle Fahrten mit dem Fahrrad erledigen«, erklärt Zuschlag.
»Ruhige und fleißige Mitmenschen«
Das Jobcenter bezahle bis zu 690 Euro Warmmiete und eine maximale Kaution in Höhe von drei Monatsmieten. Doch Navolotska sei auch bereit, etwas draufzuzahlen. Wenn gewünscht könne die Zuzahlung zur Miete für ein Jahr im Voraus bezahlt werden.
»Sie und ihre Tochter sind sehr ruhig, machen keinen Ärger, sind Nichtraucher, äußerst fleißig und keinesfalls wählerisch«, zählt die Leitern des Kleiderladens auf. Auch sei die 44-Jährige gerade dabei, Deutsch zu lernen. Ab September besuche sie den nächsten Kurs am Avicen-Institut in Frankfurt. Die einzige Bedingung sei, dass die neue Wohnung über zwei Zimmer verfügt. »Sie möchte, dass ihre Tochter ein Rückzugsort hat, an dem sie lernen und für sich sein kann«, erklärt Zuschlag. Auch biete Zuschlag jedem Vermieter an, der sich unsicher sei, sie und Navolotska im Kleiderladen des DRK kennenzulernen und sich ein eigenes Bild zu machen.
Von Patryk Kubocz
J Silke Zuschlag übernimmt die Vermittlung zwischen Novolotska und potenziellen Vermietern. Die Leiterin des DRK-Kleiderladens ist unter (0 17 3) 66 61 85 9 oder per E-Mail an Kleiderladen@drk-badvilbel.de zu erreichen.