Karben. Bis ins letzte Detail ließen sich kürzlich am Mittwochabend Petterweiler Bürger über die Auswirkungen des geplanten Windparks in ihrer Nachbarschaft informieren. Viele Fragen und Sorgen äußerten sie beim Treffen mit Bürgermeister Guido Rahn und Ortsvorsteher Dennis Vesper. Am Ende wurde klar, was sich an den Plänen des Investors noch ändern soll.
Der Ortsvorsteher persönlich klingelte im März an den Haustüren der Auserwählten: Gut 250 Menschen aus der südwestlichen Zone Petterweils lud Dennis Vesper für Mittwochabend ins Bürgerhaus ein – all jene, die nicht viel weiter als einen Kilometer vom geplanten Windpark zwischen Petterweil und Ober-Erlenbach entfernt leben.
Viele von ihnen hatten zuvor geschimpft, weil die Investoren von der Alterric IPP GmbH bei der Bürgerversammlung im Oktober 2022 nur schwer verständliche Karten zum Energieprojekt zeigten. Deshalb kniete sich der Fachinformatiker Dennis Vesper tief in die Materie hinein. Am Mittwoch zeigte er den rund 90 Gästen in der Albert-Schäfer-Halle seine selbst errechneten Schattenwürfe und Schallgrenzen auf einer großen Petterweil-Karte.
Bürgermeister Guido Rahn (CDU) war die Sorge anzumerken, es könnte zu einem Protest gegen den Windpark kommen. Mehrfach betonte er, die Rotoren seien nicht zu verhindern. »Wir wollen verhandeln mit den Investoren. Komplett dagegen sein wollen wir nicht.« Ortsvorsteher Vesper (SPD) ergänzte: »Wir haben kein Interesse, diese Windräder hier stehen zu haben. Aber wir haben eine Verantwortung für die Zukunft. Es ist nicht die richtige Zeit, um Nein zu sagen.« Das übernahmen mehrere Besucher des fast dreistündigen Treffens.
Neben Vesper und Rahn saß auch Hans-Jürgen Stadler. Der Geschäftsführer der städtischen Energie-GmbH teilte mit, dass er einen der fünf Windmasten für die Karbener kaufen wolle. An dem Geschäft sollen sich die Anwohner beteiligen können. Gedacht ist ein risikoarmes Festzinsdarlehen. Auch die Nachbarstadt Bad Homburg wolle einen Windmast erwerben, berichtete Rahn. So könne man in Verhandlungen mit der Alterric die Auswirkungen des Windparks auf die Anwohner verringern.
Diskussion über
Schattenwurf
Die Sorgen sind gar viele. Die leichte Hanglage Petterweils gen Osten werde die rotierenden Schatten der Rotoren verlängern, sagte zum Beispiel eine Besucherin. Vesper antwortete: »Der Schattenwurf sei in den Plänen ohne Rücksicht auf Gelände- und Bebauungshöhe berechnet.« Mithin gebe es darin auch den Taunuskamm nicht, der die tief stehende Abendsonne in Wirklichkeit von den künftigen Windmasten und Petterweil fernhält.
Außerdem sehen die Regeln laut Vesper vor, dass kein Haus länger als 30 Minuten am Tag oder acht Stunden im Jahr im Schlagschatten liegen darf. Überhaupt trete das Schatten-Problem nur zur Jahreswende auf. Er habe beim Pläne-Studium herausgefunden, dass an manchen Stellen Petterweils zeitweise ein doppelter Schlagschatten von zwei Rotoren droht. Das stört Vesper. Überhaupt seien die drei mittleren Windmasten am störendsten. Vielleicht könne man eins weglassen oder niedrigere Generatorgondeln durchsetzen, meinte der Ortsvorsteher.
Sorgen bleiben trotzdem. Die Fundamente versiegeln zu viel Acker, fand eine Besucherin. Fünf Masten von den Ausmaßen des Messeturms bereiteten ihm Bauchschmerzen, klagte ein junger Mann. Ein älterer Herr wollte vom Bürgermeister wissen, um welche Summe der Wert seines Anwesens sinke, wenn der Windpark steht: »Würden Sie denn ein Haus kaufen mit so einem Schlagschatten?!«
Eine Frau rief: »Wir werden am Ende zehn bis zwanzig Prozent Verlust haben!« Raunen im Saal. Es müsse Schadensersatz geben, warf jemand ein. Guido Rahn versuchte, mit seiner Autorität die aufsteigende Empörung zu bremsen. Nein – die Stadtverwaltung könne keine Wertverluste durch Windkraft berechnen. Die Inflation bedrohe den Wert der Häuser doch viel stärker. Und Schadensersatz für Windpark-Nachbarn gebe es nirgendwo. Ein Mann rief: Die Stadt könne Betroffenen doch die Grundsteuer erlassen. Da wirkte der Bürgermeister kurz verärgert und moderierte freundlich weiter. Man werde die sinnvollen Anregungen in die Verhandlungen mitnehmen, hieß es am Ende. Von Klaus Nissen
Windpark Petterweil
Rund 60 Millionen Kilowattstunden pro Jahr sollen etwa ab 2026 die fünf neuen Rotoren zwischen Petterweil und Ober-Erlenbach liefern. Sie können den ganzen Energiebedarf der Karbener abdecken, rechnet Bürgermeister Guido Rahn vor. Entstehen sollen sie auf dem 34 Hektar großen Windvorranggebiet 4607, nicht weit von den vier Kloppenheimer Rotoren entfernt.
Inklusive der Rotorblätter ragt jede der neuen Windkraftanlagen 246 Meter über den Boden. Für die Fundamente und die Wartung der Anlagen werden je 400 Quadratmeter gebraucht, Hinter dem Projekt steht die Allterric IPP-GmbH. Sie ist laut Bürgermeister Guido Rahn eine Tochterfirma des Windrad-Herstellers Enercon. Das Investitionsvolumen dürfte bei mehr als 20 Millionen Euro liegen.
Um die Anwohner zu schützen, ist der Mindestabstand zu den Ortsrändern auf tausend Meter festgelegt. Wenn die Rotoren im Wohngebiet nachts mehr als 35 Dezibel Schall verursachen, müssen sie abgeschaltet werden.
Für die Baugenehmigung wird laut Rahn gerade das Umweltgutachten erstellt. Der Baubeginn ist frühestens für 2025 geplant (kni)