Bad Vilbel. Psalm 130 aus dem Alten Testament beschäftigte christliche Komponisten in sechs Jahrhunderten. Die evangelische Kantorei der Christuskirche präsentierte Werke von Schütz bis zum Zeitgenossen Vic Nees.
Spontaner Beifall des zahlreichen Publikums in der Christuskirche – nicht gerade üblich vor dem Ende eines geistlichen Konzerts. Aber die Mezzosopranistin Sophie Wenzel sang sich in die Herzen der Zuhörenden mit Werken der Spätromantiker Josef Rheinberger und Max Reger. Die Sängerin ist der Kantorei seit Jahren verbunden und kann mit der heiklen Akustik der Christuskirche umgehen. Was man erkennbar zu schätzen wusste.
Vor drei Jahren war das Konzert »De Profundis«, zu deutsch »Aus der Tiefe«, schon fertig gewesen. Corona verhinderte die Aufführung. Aber die verspätete Darbietung hat im Angesicht des Krieges in der Ukraine noch an Aktualität gewonnen.
Grundlage ist der 130. Psalm aus dem Alten Testament. Sein Inhalt ist das Unvermögen des Menschen vor Gott zu bestehen – »doch bei dem Herrn ist die Gnade«. Martin Luther hat den Psalm dereinst aus dem Lateinischen ins Deutsche übertragen und vertont. Er hat Komponisten bis in die Gegenwart inspiriert.
Oft wurde die Luther-Schöpfung direkt übernommen und zeitgemäß für den Gebrauch in Gottesdiensten bearbeitet. Vorreiter war Johann Sebastian Bach einhundert Jahre nach Luther – am Samstag eindrucksvoll virtuos dargeboten an der Orgel von Christian Baumann. Für Gemischten Chor komponierte Felix Mendelssohn-Bartholdy im Jahr 1830. Das von Sophie Wenzel gesungene eingefügte Sopransolo »Bei dir gilt nichts denn Gnad und Gunst…“ belohnte der Chor mit der Zugabe am Schluss.
Der Komponistenreigen in diesem Konzert konnte vielfältiger nicht sein. Hervorgehoben sei das frühe Werk von Heinrich Schütz (1585-1672), das nach seinem Aufenthalt in Venedig um 1610 achtstimmig komponiert wurde – in der »italienischen Manier«, die in dem an Emporen reichen Markusdom entwickelt wurde.
Die Kantorei wählte außerdem die »De Profundis«-Kompositionen aus von Georg Reutter (1708-1772), von Joseph Rheinberger (1839-1901), Heinrich Kaminski (1886-1901) und des Belgiers Vic Nees (1936-2013) aus – letztere zeitgemäß nicht mehr so auf Wohlklang versessen wie der romantische Vorgänger Mendelssohn zum Beispiel.
Chorleiterin Geraldine Groenendijk konnte am Ende des einstündigen Konzerts aufatmen. Ihre harte Probenarbeit der letzten Wochen hatte sich gelohnt. Der Chor reagierte gewissermaßen handzahm und brachte die Nuancen des Dirigats sensibel zum Ausdruck. Dennoch: Der Gesamtklang der Sängerinnen und Sänger reichte, vielleicht wegen der dreijährigen Zwangspause, noch nicht ganz an das aus der Vergangenheit erreichte Niveau heran.
Organist Christian Baumann allerdings musste damit »kämpfen«, dass sich die große Walcker-Orgel in den langen Winterwochen wohl ein wenig »erkältet« hatte. Sie tat nicht ganz genau das, was sie sollte. Aber außer dem sensiblen Organisten selbst hat wohl kaum jemand etwas davon gemerkt. Hannes Mathias
KategorienBad Vilbel