Bad Vilbel. „Ob Papst Benedikt XVI. von unserer Aktion etwas erfahren wird, da sehe ich die Chancen eher als gering an. Aber einen Versuch ist’s wert.“ So kommentiert Pfarrer Herbert Jung von der katholischen Gemeinde St. Nikolaus in Bad Vilbel seine Briefaktion. Dort und in St. Marien in Dortelweil sowie Herz-Jesu in Massenheim lag bis Sonntag ein Brief aus, der an den Papst gerichtet ist. Etwa 220 Gemeindemitglieder bitten mit ihren Unterschriften das katholische Kirchenoberhaupt, auch anderen Christen den Weg zurück in die katholische Kirche zu öffnen.
In dem Schreiben ist die Rede von „linken Gruppierungen innerhalb der katholischen Kirche mit deren prominenten Vertretern wie Hans Küng, Eugen Drewermann oder Johann Baptist Merz“. Gemeint sind auch die Mitglieder der anglikanischen, orthodoxen und protestantischen Kirche. Personen wurden aus der Kirche ausgeschlossen (exkommuniziert), weil sie anders dachten als die offizielle katholische Kirche. Das trifft nun auch für die jetzt vom Papst wieder in den Schoß der Kirche zurückgeholten Mitglieder der ultrakonservativen Priesterbrüderschaft Pius X. zu. „Diese vertreten ebenso andere theologische Ansichten bezüglich der Dogmen und biblischen Textauslegungen“, so Pfarrer Jung. Mindestens einer der vier begnadigten Bischöfe der Bruderschaft, Bischof Richard Williamson, der den Holocaust während des Nazi-Regimes beharrlich leugne, verstoße eindeutig gegen das II. Vatikanum des Konzils in Rom aus den Jahren 1962 – 1965 und gegen das dazu später erlassene Dekret. Danach dürfen die Juden nicht als „verworfen oder verflucht“ dargestellt werden.
Mit ihrem Brief wollen die Vilbeler Katholiken ihrer „Fassungslosigkeit über die einseitige Entscheidung des Papstes“ Ausdruck verleihen. Sie hoffen auf ein Umdenken in Rom. „Ich wollte mit dieser Aktion meinen Gemeindemitgliedern die Möglichkeit bieten, ihrer Enttäuschung und ihren Empfindungen über die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe durch den Papst freien Lauf zu lassen“, begründet Pfarrer Jung die Aktion.
Er sei in den vergangenen Tagen von vielen Gläubigen auf die umstrittene Entscheidung des Papstes angesprochen und um Rat gefragt worden, wie denn ein „normales Gemeindemitglied“ dazu Stellung beziehen könne.
Mit der Aktion stößt Jung allerdings bei Amtskollegen auf deutliche Kritik. Etwa bei Pfarrer Bernhard Schirmer von der katholischen St. Bonifatius-Kirchengemeinde in Karben: „Die katholische Kirche beruht auf einem streng hierarchischem System, und zwar von oben nach unten und nicht umgekehrt“. Er schließt daher grundsätzlich den Weg aus, mit einem Offenen Brief, unterschrieben von Gemeindemitgliedern, die Handlungen des Papstes beeinflussen, möglicherweise gar kritisieren zu wollen. „Das, was der Papst denkt und macht, kann schließlich nicht von der Bevölkerung entschieden werden.“
Ablehnend steht auch Pfarrer Günther-Dieter Loch von der Johannes-von-Nepomuk-Kirchengemeinde Kloppenheim der Briefaktion gegenüber. „Von solchen Aktionen distanziere ich mich eindeutig“, meinte er nur kurz. Ansonsten möchte er die Angelegenheit nicht weiter kommentieren.
Grundsätzlich hält der stellvertretende Dekan, Thomas Korfmann, vom Dekanat Wetterau-West in Bad Nauheim den Weg für gangbar. „Einen Brief an den Papst zu schreiben, ist nicht alltäglich. Grundsätzlich muss der Weg von unten nach oben offen sein. Wie anders soll die Kirchenspitze von den Empfindungen der Gläubigen unterrichtet werden?“