Karben. In den Oppositionsfraktionen in Karben gibt es Unmut über die Stadtverwaltung. Protokolle, Gutachten und andere Schriftstücke werden laut SPD und Grünen so spät versandt, dass eine substanzielle Meinungsbildung kaum noch möglich sei. Wegen eines Vorgangs vom November haben die Grünen jetzt sogar die Kommunalaufsicht eingeschaltet.
Schon in seiner Haushaltsrede hat sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Görlich kritisch geäußert. So hieß es laut Redemanuskript, man habe als Stadtverordnete erfahren, »dass die Personaldecke der Stadt Löcher hat«. Es seien Protokolle sehr spät oder nach »Anschubsen« erstellt und versandt worden. Zudem seien Versprechungen gemacht worden, die nicht eingehalten würden. Anträge und Anfragen würden »ausgesessen«, sagt Görlich.
Als es um den Ausbau des Glasfasernetzes ging, seien nicht alle Gremienvertreter eingeladen gewesen. Die Fortschreibung des Kita-Bedarfsplans werde mit der Begründung »warten auf den Kreis« abmoderiert.
Wenige Tage Zeit
zur Akteneinsicht
Dies alles liege nicht an der fehlenden Kompetenz der Mitarbeiter«, heißt es im Redemanuskript des Fraktionsvorsitzenden. Denn auf Nachfrage erhalte man kompetent und zeitnah Auskünfte.
Für die Fraktion der Grünen formuliert deren Fraktionschef Markus Dreßler die Eindrücke so: »Meines Erachtens weisen die verwaltungstechnischen Prozessschritte, inklusive der Kommunikation zu den Mandatsträgern, nicht unerhebliche Defizite auf. Das spiegelt sich selbstverständlich auch in den oft langen Antwortzeiten wider.«
Dreßler nennt etwa die Sondersitzung für den Haushalt am 16. November. Bis zum 3. Dezember mussten alle Anträge eingereicht sein. In der Sitzung sei kommuniziert worden, dass keine eigenen Mitschriften nötig seien, da ein Protokoll durch die Verwaltung angefertigt würde. »Das Protokoll lag bis 29. November nicht vor. Erst auf intensive Nachfrage durch uns Grüne wurde das Protokoll dann am 30. November zur Verfügung gestellt.« Den Fraktionen seien also nur noch drei Tage geblieben für qualitativ und inhaltlich »saubere« Anträge.
Zu der Sondersitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Infrastruktur am 4. November zum Glasfaserausbau in Karben seien die Grünen gar nicht eingeladen gewesen. Dreßler weiter: »Ein Protokoll wurde uns erst Ende November zur Verfügung gestellt. Wir Grüne haben die Kommunalaufsicht eingeschaltet. Diese prüft aktuell noch den Sachverhalt. Eine Entschuldigung seitens der Stadtverwaltung hat es nie gegeben.«
Schließlich wird moniert, dass Gutachten zu den Bebauungsplänen wie Naturschutzgutachten oder Bauvorhaben oft erst eine Woche vor der Ausschusssitzung kämen. »Wir reden hier über mehr als 100 Seiten«. Dazu müssten Fragen gestellt beziehungsweise vorbereitet und vorab in der Fraktion besprochen werden. »Da bleiben dann oft nur wenige Tage zur Einsicht.«
Görlich folgert, dass die Personaldecke bei der Verwaltung offenbar Löcher habe. Es müsse etwas passieren, fordert der SPD-Fraktionschef. Personalaufbau, Aufgabenoptimierung, Umverteilung, Prozessänderungen, Digitalisierung seien alles Möglichkeiten, die Situation in den Griff zu bekommen.
Bürgermeister Guido Rahn (CDU) hat sich auf Anfrage so zu der Kritik geäußert: Es gebe pro Jahr über 50 Sitzungen. Bei einer zusätzlichen Info-Sitzung habe eine neue Kollegin die Einladungen per E-Mail-Verteiler nicht über den »Sammelverteiler« geschickt, sondern jedes einzuladende Mitglied einzeln erfasst. »Hierbei ist ein/e Vertreter/in der Grünen nicht in die Einladung übernommen worden.« Magistratsmitglied Mario Schäfer (Grüne) sei allerdings eingeladen worden.
150 Anfragen
Zur Haushaltsberatung seien über 150 Fragen der Fraktionen eingereicht worden. »Allerdings hatte eine größere Oppositionsfraktion den Einreichungstermin für die Fragen »versäumt« und ihre Fragen am 14. November für die Sitzung am 16. November eingereicht«, so Rahn. In der Ausschusssitzung hätten daher nicht alle Fragen beantwortet werden können, auch weil Kollegen/innen im Urlaub gewesen seien. »Folglich mussten wir warten, bis alle Fragen zusammenfassend beantwortet werden konnten«, sagt der Bürgermeister und blickt in die Zukunft: »Um künftig hier schneller zu sein, werden wir bei der nächsten Beratung die pünktlich eingegangenen Fragen beantworten und nicht mehr auf verspätet eingereichte Anfragen warten.«
Zu den knapp eingereichten Unterlagen und Gutachten schreibt Rahn, dass auch die Verwaltung sie teilweise »erst sehr kurz vor den Sitzungen« bekomme. Alternative wäre, die Tagesordnungspunkte um eine Sitzung zu verschieben. Dies sei auch schon so gemacht worden. Wenn die Opposition dies fordert, folge man derartigen Wünschen zur Vertagung, sofern es nicht um zeitkritische Angelegenheiten gehe.
Sitzungsdienst
Auf die Frage nach der Mitarbeiterzahl im Sitzungsdienst antwortet Rahn, dass dort drei Personen tätig seien. Allerdings hätten diese Mitarbeiter noch weitere Aufgabengebiete. Eine sehr erfahrene Kollegin sei im Vorjahr in Rente gegangen«.
Schließlich verweist Rahn auf die Corona-Pandemie, die auch für den Sitzungsdienst erhebliche Zusatzaufgaben zur Folge habe. So habe der Sitzungsdienst seit dem 21. August 2021 insgesamt 51 454 Masken und über 10 000 Antigentests gekauft, zudem Dutzende von Spuckschutzscheiben und vieles mehr. Von Holger Pegelow