Karben. Ausgefallene Regenwasserpumpen an der Kläranlage und vollgelaufene Keller – die Bilder vom 15. September in Karben dürften vielen noch sehr präsent sein. Am Dienstagabend der Vorwoche gab es im Bürgerzentrum eine Sondersitzung des Planungs- und Infrastrukturausschusses des Stadtparlaments zum Thema Hochwasserschutz und Starkregenereignisse.
25 Liter Regenwasser pro Quadratmeter kamen am 15. September zwischen 18 und 22 Uhr über Karben nieder. Meteorologisch handelte es sich dabei nicht um eine außergewöhnliche Regenmenge. Dennoch reichte sie aus, um in den Straßen rund um den Hessenring und Am Breul Dutzende Keller volllaufen zu lassen.
Über zwei Stunden hatte sich das Regenwasser in diesem Bereich ansammeln können, weil an diesem Nachmittag auf einen Schlag alle vier Regenwasserpumpen in der Kläranlage durch Kurzschluss ausgefallen waren. Grund ist die Umstellung der Kläranlage auf Digitaltechnik. »Eine Verkettung unglücklicher Umstände«, nannte es damals der Leiter der Stadtwerke, Michael Quentin. Denn normalerweise hätten schon zwei Pumpen ausgereicht, um die Wassermengen an dem Nachmittag zu bewältigen.
Starkregen »plötzlich
und unangemeldet«
Doch weder die Aussage des Stadtwerkechefs noch die Entschuldigung des Bürgermeisters reichten den politischen Parteien – sie wollten Genaueres zu möglichen Vorkehrungen oder Hochwasserkonzepten seitens der Stadt wissen.
Dort klärten die zuständigen Fachbereichsleiter, Michael Quentin, Manuel Peña und Sylke Radetzky, die Politiker erst einmal über den Unterschied zwischen einem Hochwasserereignis und einem Starkregenereignis auf. Ein Hochwasser sei wegen verschiedener Meldestufen entlang der Flüsse und Bäche voraussehbar, und die entsprechenden Maßnahmen könnten frühzeitig eingeleitet werden. Anders sei es bei Starkregenereignissen. Die kämen »unangemeldet und plötzlich«. Dazu käme, dass bei Starkregen das Wasser auch aus den Außenbereichen, also den Äckern, in das städtische Abwassersystem fließe und dieses so zeitweise überlaste. Weil dieses Problem in der Vergangenheit immer öfter aufgetreten sei, wurden bereits entlang der Nidda Retentionsflächen geschaffen, die dem Hochwasser die Möglichkeit geben, sich auszubreiten. Außerdem sei die Deichhöhe im Innenstadtbereich zwischen dem ASB- und dem KSV-Gelände um 50 Zentimeter über der für ein 100-jähriges Hochwasserereignis vorgeschriebenen Höhe errichtet worden. Darüber hinaus seien im Tannenweg und Selzerbachweg in Klein-Karben eine Absetzmulde sowie Überlaufschwellen und Querdeiche errichtet worden. Sie sollen, verhindern,, dass die Wassermengen aus dem Außenbereich sofort in das städtische Kanalsystem fließen. Ebenso wurden die Gräben vertieft und dafür gesorgt, dass das Wasser ungehindert in die Nidda ablaufen kann. Dies geschah aus der Erkenntnis, dass beim Hochwasser 2003 der Wiesenbachgraben nicht in die Nidda ablaufen konnte und deshalb das Wohngebiet Hessenring und die TG-Turnhalle überflutet hatte.
Es sind aber nicht nur unvorhergesehene Wassermassen, die den Stadtwerken Probleme bereiten, sondern auch Kanalverstopfungen durch Fremdkörper, durch Rohrbruch oder – wie im vorliegenden Fall – durch Ausfall von Pumpwerken.
Doch die Stadtwerke warten laut Information an diesem Abend nicht nur ab, sondern sie bauen auch vor. So werden Bauanträge in möglichen Hochwassergebieten, die vom Land Hessen in einer gesonderten Landkarte ausgewiesen sind, entweder gar nicht mehr erteilt oder unter sehr strengen Auflagen. Auch das Kanalsystem sei danach ausgelegt, und zwar, wie vorgeschrieben, ausreichend für ein durchschnittliches Dreijahresregenereignis. »Die Vorkehrungen für ein 50- oder 100-jähriges Hochwasserereignis sind gar nicht bezahlbar und würden die Gebühren für die Verbraucher stark erhöhen«, sagte Quentin. Trotzdem habe die Stadt eine Starkregen-Risikoanalyse in Auftrag gegeben. Darüber hinaus soll statt einer »einfachen« Fließpfadkarte ein ingenieurhydrologisches Gutachten in Auftrag gegeben werden. Darüber hinaus seien aber alle Haus- und Grundstückseigentümer aufgefordert, Vorsorge für ihre Immobilien zu treffen, beispielsweise durch den Einbau einer Rückschlagklappe im Abwasserbereich.
Feuerwehr hat 4000 Sandsäcke befüllt
Für den Fachbereich Brand- und Katastrophenschutz wies Manuel Peña noch daraufhin, dass es im Katastrophenfall rechtzeitige Warnungen über Warn-Apps auf den Handys gebe. Die Feuerwehr sei mit 4000 gefüllten Sandsäcken, einer Sandsackfüllmaschine und Pumpen bestens ausgerüstet.
Da die einzelnen Berichte umfassend waren, gab es kaum Nachfragen von den Parteien. Die SPD zog ihren Antrag zum Hochwasserschutz zurück. Die anderen Fraktionen sahen ihre Anfragen als beantwortet an. Von Jürgen W. Niehoff