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Gemessen in Garten und Schlafzimmer

Erläuterungen am Messgerät (von links): Conny Rück, Sascha Brey und Max Schad mit Armin Mungel. Foto: Niehoff
Erläuterungen am Messgerät (von links): Conny Rück, Sascha Brey und Max Schad mit Armin Mungel. Foto: Niehoff

Karben / Schöneck / Niederdorfelden. Der Brummton des Umspannwerks in Karben, lange Zeit von der Betreiberfirma Tennet abgestritten, erregt die Gemüter nicht nur in Karben. Auch in benachbarten Kommunen ist die Angelegenheit ein Thema.
Dieser Brummton, aller Wahrscheinlichkeit nach erzeugt von einem Transformator aus dem Jahr 1972, der für gleichbleibende Spannung im Rendeler Umspannwerk des niederländischen Energiedienstleisters Tennet sorgt, ist umliegenden Anwohnern erstmals 2018 aufgefallen. Da hatte sich der Oberdorfelder Anwohner Volker Gruner erstmals an das Schönecker Rathaus gewandt, um sich über den Brummton zu beschweren. Zeitgleich hatte er das Unternehmen Tennet um Abhilfe gebeten. Doch das Unternehmen wies auf die Genehmigung nach den Bestimmungen des Immissionsschutzes aus dem Jahr 2013 hin und dass die neuerliche Überprüfung des Trafos keinen Defekt habe erkennen lassen.
Doch Gruner und mittlerweile auch andere Bewohner im Ort ließen nicht locker und schalteten nach der Schönecker Bürgermeisterin Conny Rück (SPD) auch den Oberdorfelder Ortsvorsteher Sascha Brey (CDU) und den CDU-Landtagsabgeordneten Max Schad ein. Es folgte ein umfassender Briefwechsel zwischen den Anwohnern, den Politikern, dem Unternehmen Tennet und dem Regierungspräsidium Darmstadt. Hinzu kamen Zusammenkünfte der Betroffenen vor Ort. Mit der Folge, dass das Regierungspräsidium eine erste Lärmmessung an Ort und Stelle veranlasste. Doch die sei, jedenfalls nach Ansicht der Anwohner, an einem Nachmittag erfolgt und zudem nur von kurzer Dauer gewesen. »Deshalb hat die Messung auch nichts ergeben«, beschwerte sich Gruner bei dem darauffolgenden Treffen mit Mitarbeitern von Tennet.
Direkter Blick
aufs Umspannwerk

Und nach weiteren Protesten erfolgten wiederum Telefonate auf politischer Ebene mit dem Ergebnis, dass derzeit eine Lärmlangzeitmessung über drei Wochen läuft. Aufgestellt sind die Messgeräte im Garten und im Schlafzimmer von Armin Mungel. Er wohnt mit seiner Familie in Rendel und von seinem Grundstück hat man einen direkten Blick auf das Umspannwerk in zwei bis drei Kilometer Entfernung. »Ich bin eigentlich nicht so geräuschempfindlich und mich lassen Geräusche von Flugzeugen oder Traktorenlärm auf den Äckern direkt neben meinem Garten völlig kalt. Aber bei dem Brummton aus dem Umspannwerk geht es um einen Dauerton, der nachts die ganze Familie nervt«, berichtet Mungel.
Es sei keine Einbildung oder ein übertriebener Wahrnehmungswille, denn auch seine unmittelbaren Nachbarn und die Nachbarn von Gruner in Oberdorfelden fühlen sich von dem Brummton gestört. Selbst ein Fernsehteam, das vor wenigen Tagen bei ihm zu Hause war, um über das Thema zu berichten, musste ein Interview mit ihm abbrechen, weil der Brummton nach Aussage der Tontechnikerin die Aufnahme störte.
Weil der Brummton aber nicht jeden Tag zu hören ist oder auch am Tage schwächer zu vernehmen ist, vermutet Mungel einen Zusammenhang mit der jeweils vorherrschenden Thermik. »Denn manchmal höre ich das Geräusch ganz deutlich, während mein Nachbar zwei Häuser weiter davon gar nichts mehr hört«, so Mungel. Der Blick auf die Messgeräte zeigt jedoch, dass sich Mungel nicht täuscht.
Nicht dauerhaft
überschritten

Nur überschreitet die Messlinie auf den Geräten nicht dauerhaft die erlaubten 35 Dezibel nachts, sondern nur zeitweise. Doch das ist eine Momentaufnahme, denn das Messgerät zeigt immer nur wenige Stunden an. Wie gesundheitsgefährdend der Brummton ist, das können die Fachleute erst bei der Auswertung aller Daten sagen. Zurzeit scheinen aber alle Betroffenen mit dem Erreichten zufrieden sein. Landtagsabgeordneter Schad, Bürgermeisterin Rück und Ortsvorsteher Brey sind froh, dass das Regierungspräsidium die Langzeitmessung anordnete, und vor allem, dass das Unternehmen zugesagt hat, den Ersatz des alten Trafos in Angriff zu nehmen.
Wegen der langen Planungs-, Genehmigungs- und Bauphase könne Tennet aber noch keinen genauen Zeitablauf nennen. »Allerdings können wir Ihnen und den Bürgerinnen und Bürgern für das Jahr 2023 eine Verbesserung der Situation in Aussicht stellen«, heißt es im Schreiben von Tennet an Bürgermeisterin, Landtagsabgeordneten und Ortsvorsteher.
Von Jürgen W. Niehoff

Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen
Die Grenzwerte für die Lärmvorsorge und den rechtlichen Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen liegen in Gewerbegebieten tagsüber (6 bis 22 Uhr)bei 69 dB(A) und nachts (22 bis 6 Uhr) bei 59 dB(A);In Kern-, Dorf- und Mischgebieten tagsüber bei 64 dB(A), nachts bei 54 dB(A); In reinen Wohngebieten und Kleinsiedlungen am Tag bei 59 dB(A) und nachts bei 49 dB(A), sowie in der Nähe von Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen tagsüber bei 57 dB(A) und nachts bei 47 dB(A). (jwn)