Karben. Jagdpächter, Naturschützer und Forstbedienstete beobachten die durch Corona entstandene Rückbesinnung vieler Menschen zur Natur nicht ohne Bedenken. Viele schlagen sogar Alarm. Denn der eigentlich sinnvolle Trend scheint immer mehr zum Quer(feldein-)schläger zu werden.
Wer mit wachen Augen durch Wald und Flur geht, kann die negativen Spuren der neuen Lust an Natur und Spaziergängen mancherorts bereits erkennen: Von Menschen gemachte Trampelpfade abseits der normalen Wege zeichnen ein Bild von Egoismus und Unvernunft. Denn: Im Unterholz lebende Wildtiere fühlen sich gestört und bedroht, wenn Menschen und Hunde in ihre Nähe kommen.
Warnbeschilderung und Absperrungen
Der Groß-Karbener Jagdpächter Wolfgang Schomber reagiert bei diesem Thema sehr empfindlich. Unangeleinte Hunde sind für ihn sogar wie ein rotes Tuch. »Schon auf den zugelassenen Waldwegen und an der Leine ihrer Besitzer wirken sie auf das Wild bedrohlich«, erklärt er. »Die Wildtiere werden Hunde immer wie Wölfe ansehen und sich dementsprechend verhalten. Hunde folgen übrigens immer ihrem angeborenen Jagdtrieb.«
Im Rahmen eines Umweltgespräches im Sommer, an dem neben der Stadt Karben verschiedene Interessenverbände teilnahmen, legten Schomber und seine Kollegen einen Lösungsvorschlag auf den Tisch. Vor allem an den sogenannten Rückeschneisen schlugen die Jäger eine Warnbeschilderung vor. An diesen Querverbindungen im Wald hatten die versteckten Wildkameras mit Bewegungsmeldern viele Verstöße aufgezeichnet. Stadt und Revierförster hätten den Antrag unterstützt, teilt Schomber mit.
»Derzeit betrifft die Ausschilderung nur den Teil des Staatswaldes. Für den Karbener Stadtwald diskutieren wir aber die gleiche Lösung. Ich hätte nie gedacht, dass wir irgendwann mal deswegen Schilder aufstellen müssten.«
Inzwischen berichtet Wolfgang Schomber von ersten Erfolgen. Aufgestellte Schilder und Schlagbäume nennt er dafür jedoch nicht als alleinige Gründe. Er vermutet: »Es liegt wohl eher an der hoch gewachsenen Vegetation und an der Angst vor den dort lauernden Zecken. Wegen der milden Temperaturen haben die nämlich jetzt das ganze Jahr über Jagdsaison.« Einhundert Prozent der Menschen seien ohnehin nicht zu erreichen. Bei 90 Prozent sei schon viel gewonnen. »Grundsätzlich habe ich nichts gegen Naturfreunde, wenn sie sich an die Regeln halten«, fügt er hinzu. Gerne möchte Schomber auch die landläufige Meinung über die Jäger relativieren. »Wir sind nicht nur die, die das Wild totschießen«, sagt er entschieden. »In Karben unterstützen wir zusammen mit einigen Landwirten beispielsweise das Projekt ›Rebhuhnhegering‹. Mittlerweile haben wir in der gesamten Gemarkung Groß-Karben rund zehn Hektar Land erworben und zu Wildackerstreifen umgewandelt. Dort finden Rebhühner und andere Tiere Schutz und Pflanzen geeignete Blühflächen.«
Neuer »Unterwald«
an der Nidda
Neu dazu gekommen ist ein Stück Land an der Nidda, der sogenannte »Unterwald«. Auch dieses Gelände soll, wenn es irgendwann mit Blumen und Gräsern bewachsen ist, für die Wildtiere Deckung bieten. Die Fläche ist zwei Hektar groß.
Jagdkritiker schlagen indes ganz andere Töne an. Sie werfen den Jägern Eigennutz vor. In einem Online-Artikel schrieb der Verband »Wildtierschutz Deutschland e. V.« am 26. Oktober 2020: »Mittlerweile haben sich über 100 Jagdpächter solchen Projekten angeschlossen und erhalten dafür beträchtliche Fördergelder in Millionenhöhe vom Land Hessen. Damit versuchen die Initiativen eine Verbesserung der Lebensräume für Rebhühner zu erreichen, mit dem Ziel, die Tiere wieder jagen zu können.« In dem Artikel wird darauf hingewiesen, dass Rebhühner gemäß der Roten Liste in ganz Deutschland als stark gefährdet gelten. Trotzdem dürften die Tiere in speziell ausgewiesenen Gebieten – auch in Hessen – wieder bejagt werden.
Von Jürgen Schenk