Bad Vilbel. In Gronau soll ab 2023 ein neues Baugebiet zwischen Nidda und Dortelweiler Straße entstehen. Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal halten das nicht alle Anwohner für eine gute Idee. Die Stadt hat neue Retentionsräume (Überschwemmungsflächen) geschaffen und gibt Entwarnung. Thomas Buch, Leiter der Fachstelle Wasser- und Bodenschutz beim Wetteraukreis, hält die Fläche dennoch für kritisch.
Heinz P. (Name von der Redaktion geändert) steht in Gronau am Ende der Dortelweiler Straße Kreuzung Stockwiesenweg. Er blickt auf den Acker zwischen Nidda und Häusern. »Im Ort geht rum, dass hier gebaut werden soll«, sagt er. In der Hand hält der Rentner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ein paar entwickelte Fotos. Sie zeigen genau den Acker, auf den Heinz P. zeigt. »Die habe ich über die Jahre aufgenommen, immer wenn hier überschwemmt war.« Der Gronauer berichtet von einer vollgelaufenen Fläche im vergangenen Jahr, aber auch 1993, 1995, 2002 oder 2003. Er fragt sich: »Wie kann man hier bauen, wenn man diese Erfahrungen bereits gemacht hat?«
Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD steht: »Kleinere Wohngebiete sollen vor allem Bad Vilbelerinnen und Bad Vilbelern zugutekommen, die sich den Traum vom Eigenheim ermöglichen wollen. Die aktuell bereits ausgewiesenen Erweiterungsflächen für Wohnraum wollen wir behutsam entwickeln. Ein Beispiel ist die Fläche zwischen Nidda und Dortelweiler Straße in Gronau: Dort werden wir ab 2023 ein vielfältiges Wohngebiet entwickeln.«
Doch ist die Sorge des Gronauers berechtigt? Stadtpressesprecher Yannick Schwander teilt auf Anfrage mit: »Die Nidda ist vor einem 100-jährigen Hochwasser geschützt. Es sind zudem zusätzliche Überschwemmungsgebiete geschaffen worden. Auch ist die Lage in der flachen Wetterau mit den engen Tälern beispielsweise der Ahr nicht vergleichbar, sodass sich dergleichen Wasserhöhen nicht aufbauen lassen.«
Mühlbach spielt eine wichtige Rolle
Wenn man sich die Hochwassergefahrenkarte für Gronau ansieht sei ersichtlich, dass das angesprochene Gebiet in einem Bereich liegt, der bis zu einem Meter überflutet werden könne. »Aber auch nur, wenn der Deich bricht. Da das neue Wohngebiet jedoch auch erhöht werden wird, wie auch schon das bestehende Neubaugebiet, ist dies kein Problem mehr.« Schwander führt weiter aus: »Dass in der Vergangenheit auch Wasser auf der Fläche war, ist nur indirekt der Nidda geschuldet. Denn der Mühlbach, der dort in der Nähe in die Nidda mündet, hat in seinem Auslaufbauwerk in den Fluss eine Rückstausicherung, das bedeutet, dass wenn der Wasserpegel der Nidda steigt, sich dort irgendwann eine Klappe schließt. Dann kann das Wasser des Mühlbachs nicht mehr abfließen und breitet sich auf den Wiesen aus. Wenn dort einmal das Baugebiet steht, erfolgt die Ausbreitung einfach weiter flussabwärts.«
Thomas Buch, Leiter der Fachstelle Wasser- und Bodenschutz beim Wetteraukreis, gibt der Stadt in ihren Ausführungen zwar recht, hält diesen Standort dennoch für kritisch. Er sagt: »Die Fläche ist uns bekannt und steht regelmäßig unter Wasser.« Er verweist auf die Karte der Hochwasserrisiko-Managementpläne und die dort identifizierten Überschwemmungsbereiche. Bei dem Gebiet an der Dortelweiler Straße handelt es sich laut Aussagen des Fachmanns durchaus um einen »Gefährdungspunkt«. Bei der Fläche handelt es sich um ein Risikoüberschwemmungsgebiet, das bei einem hundertjährlichen Hochwasser (HQ 100) und einem Versagen der Niddadeiche überschwemmt wird.
Experte sieht
»falschen Ansatz«
Der Stadt stimmt der Fachmann zu, wenn es um zusätzliche Überschwemmungsgebiete geht. »Diese sind geschaffen worden, das sieht man auch auf der Karte deutlich«, sagt er. Trotzdem müsse man sich überlegen, ob das Gebiet an der Dortelweiler Straße so geeignet sei. Die Wasserbehörden hätten aber keine Möglichkeit, das zu verhindern. »Uns fehlt die Handhabe.« Allerdings könne man bei einem künftigen Bauleitverfahren »den Finger in die Wunde legen und in Gutachten diese Punkte ansprechen«. Thomas Buch sieht diesen möglichen Standort auch aus »rein psychologischer Sicht« als kritisch. »Es ist der falsche Ansatz in die Auenlandschaften zu bauen. Man muss Retentionsräume erhalten und nicht immer weiter zubauen.« Von Patrick Eickhoff