Karben. „Ich stelle das einmal weg, dann können wir uns besser unterhalten.“ Die rüstige Dame nimmt die Glasvase mit den Plastikrosen und schiebt sie an den Rand des weißen Deckchens auf dem Wohnzimmertisch. Dass sie arm sei, das sei richtig, ja natürlich. „Aber ich lasse mir keinen schlechten Namen machen“, sagt Katharina Ferber (80). Nennen wir die Dame aus Groß-Karben einmal so. Ihren Namen nämlich möchte sie nicht öffentlich in der Zeitung lesen. Aber dem Eindruck, der vor kurzem entstand, dass sie und ihren Nachbarn hohe Schulden hätten – ihm will Frau Ferber entgegentreten.
Vor einigen Tagen, erzählt die Groß-Kärberin, habe sie sich aufgeregt. Als die Zeitung berichtete, dass die Stadt 390 000 Euro Altschulden abschrieb. Abgebildet war das Haus, in dem Katharina Ferber wohnt. Es gehörte früher der Stadt, seit 1995 der städtischen Wohnbaugesellschaft. „Ich wurde überall drauf angesprochen“, berichtet sie. „Die Leute haben mich gefragt, ob das stimmt, dass jeder hier 7000 Euro Mietschulden hätte.“
Was natürlich nicht stimmt. Es war eine Formalie, die die Politiker im Haupt- und Finanzausschuss kurz vor dem Fest erledigten. Sie nahmen Forderungen aus der städtischen Bilanz heraus, die faktisch nicht mehr einzutreiben sind. Mieten, Steuern und Beiträge, die Bürger der Stadt schuldeten. Besonders betroffen waren sozial Schwache, die durch Notlagen ihre Mieten teils nicht mehr hatten zahlen können. Allerdings: Alle Fälle sind Geschichte. Sie reichen von 2006 bis 1980 zurück. Dass besonders die armen Menschen versuchten, auch noch das Letzte zu erübrigen, berichteten die Mitarbeiter des Fachdienstes Finanzen. „Wenn man hingegangen ist zum Beitreiben, haben die Menschen das gegeben, was sie gerade hatten“, erinnerte sich Mitarbeiter Berthold Polag.
Dass sie in der öffentlichen Meinung nun als Schuldnerin dastehen könnte, das entsetzt Katharina Ferber. „Ich habe keinen Pfennig Schulden und ich habe mir nie etwas zu Schulden kommen lassen.“
Dabei ist ihr Leben alles andere als einfach. Seit zwölf Jahren ist die gebürtige Groß-Karbenerin Witwe. Ihr Mann starb nach 20 Jahren Krankheits- und Leidenszeit. „Da hatten wir schon sehr wenig“, berichtet Katharina Ferber. Mit wenig Geld zu leben, lernte sie schon in jungen Jahren. Da arbeitete sie bei der Bahn in Frankfurt. Im Krieg dann in der Blechfabrik, die in der Dögelmühle Tornister zum Abwurf aus Flugzeugen baute. Später, mit vier Kindern, schmiss sie den Haushalt. Seit ihr Mann tot ist, muss Katharina Ferber mit noch weniger Geld auskommen. Nach Abzug der Miete hat sie jeden Monat noch 250 Euro zum Leben. Wie sie das schafft? „Das können viele Menschen nicht glauben“, erklärt Ferber. „Ich gehe günstig Käse einkaufen bei Aldi.“ Und abends gibt es Butterbrot mit Gelee.
Katharina Ferber sitzt in grau-beigen Sesseln in ihrer Wohnstube. An der Wand ein Bild ihres verstorbenen Mannes. Die Kissen ordentlich auf dem Sofa drapiert. Vor einiger Zeit kam Post. Heizung, Strom, Wasser, alles wird teurer. Irgendwie wird sie es schon hinbekommen, sagt Katharina Ferber. Es muss. Aber den Eindruck, dass sie oder jemand anderes aus dem Haus Schulden haben könnte, den müsse die Zeitung unbedingt richtig stellen. (den)