Karben. Spontan bleiben Spaziergänger in Petterweil und auch in Groß-Karben stehen. Gespannt lauschen sie dem Klang fröhlicher Stimmen, der aus geöffneten Fenstern und Türen ins Freie dringt. Mit ihren Liedern transportieren die Chöre wieder Lebensfreude und Hoffnung.
Wegen des Infektionsrisikos mussten Chöre in Hessen lange pausieren. Nun darf – mit großem Abstand zueinander – wieder gesungen werden. Darüber sind Chorleiter und Chormitglieder froh. Der Gesangverein Eintracht Karben-Petterweil und der Internationale Chor Karben »Pro Musica« trafen sich wieder zu ihrer ersten Chorprobe nach der Pandemie-Zwangspause.
In Petterweil begrüßte Chorleiter Manfred Fink am Dienstagabend acht der 15 Sänger im großen Saal des Albert-Schäfer-Hauses und nicht, wie sonst üblich, im Vereinsraum des Bürgerhauses.
Am Mittwochabend trafen sich 40 der derzeit 70 aktiven Sänger des gemischten Chores Pro Musica im Saal des Bürgerzentrums. Begrüßt wurden sie von Chorleiter Hubert-Thorwald Reuter und der 1. Vorsitzenden Kathrin Buol-Wischenau. Beide Chöre freuten sich über die erste gemeinsame Probe seit Oktober 2020.
Die Stimme
nicht »schieben«
Da die Petterweiler während der Zwangspause keine Online-Proben hatten, lag der Schwerpunkt auf Stimmbildung mit einzelnen Tönen, Tonfolgen und Atemtechnik. Letztere müssen sich die Sänger erarbeiten, denn die Stimme verändert sich nur einmal im Stimmbruch, danach nicht mehr. Schnell zeigte sich, dass die Petterweiler Sänger vom Können und der Erfahrung sowie der Begeisterung und Liebe zum Gesang des bekannten Tenors Manfred Fink profitieren.
Bevor es losging, erinnerte der Chorleiter seine Sänger daran, dass »die Stimme auf Höhe des Schlüsselbeins sitzt und wir immer hier am Punkt bleiben, wo sie sitzt. Egal wie hoch oder tief wir singen. Wichtig ist, dass die Verbindung zum Zwerchfell da ist, dann merkt man beim Singen ein leichtes Ziehen«. Die Sänger sollen ihre Stimme »nicht schieben, dann trägt sie nicht«, mahnte der Chorleiter. Und erinnerte seine Sänger daran, dass man bei richtiger Atemtechnik »zum Singen so viel Luft braucht wie beim Sprechen«. Schnell zeigte sich, dass die Sänger beispielsweise beim Singen des Tons F an ihr vor der Pandemie Erlerntes anknüpfen konnten. »Obwohl wir nur acht Leute sind: Was für ein Klang, ihr füllt mit euren Stimmen den ganzen Saal aus«, lobte Fink. Zur Abwechslung und zur Belohnung stimmten die Chormitglieder gemeinsam mit ihrem sie auf dem Flügel begleitenden Chorleiter das Lied der Berge »La Montanara« und das neapolitanische Lied »O Marenariello« an.
Zum Repertoire des Männerchores gehören Klassik, Volks- und Kirchenlieder, Musicals und Popsongs. Auftritte haben die Petterweiler Sänger vorerst keine geplant, da sie in den vergangenen beiden Jahren alles wieder hatten absagen müssen.
Online ersetzt keine Präsenz-Chorprobe
»Pro Musica« hat den sozialen Kontakt während der Pandemie mit Online-Stammtischen und -Proben aufrechterhalten. Allerdings sei online kein Chorklang zustande gekommen. »Online ersetzt keine Präsenz-Chorprobe«, sagt der engagierte und erfahrene Chorleiter Hubert-Thorwald Reuter. »Für mich waren die letzten Monate wie Berufsverbot.« Umso mehr freuten er und die Sänger sich auf die Probe.
Nach einem Warm-up mit Dehnungs- und Klopfübungen standen Atemübungen an. Mit offenem Mund wurden je zweimal die Töne »E, A, O, U« und schließlich »Die Nacht« von Christian Dreo gesungen.
Zum »Pro Musica«-Repertoire gehören Lieder aus allen Epochen der Chormusik von Mendelssohn Bartholdy über Brahms bis zu Zeitgenössischem, beispielsweise von Franz Herzog. »Wir bereiten gerade eine CD ›Pro Musica‹ vor, die noch dieses Jahr veröffentlicht werden soll. Außerdem planen wir im Oktober und vor Weihnachten – falls möglich – ein Konzert im Bürgerzentrum. Der Chor brennt darauf, wieder auf der Bühne zu stehen«, informiert der Chorleiter. Im nächsten Jahr soll die Konzertreihe mit internationalen Chören wie dem Kärtner Landesjugendchor, »einem der Top-Chöre Europas« fortgesetzt werden, ergänzte die Vorsitzende.
Dann widmeten sich alle der Probe ihres Repertoires. Nach Daniel Fridericis Weise aus dem 16. Jahrhundert »Wir lieben sehr im Herzen« und Felix Mendelssohn Bartholdys auf Psalm 43 beruhendem Lied »Richte mich Gott« sangen sie den Gospel »Swing low, sweet Chariot« in der Version des Komponisten Wolfram Buchenberg.
Die Sänger beider Chöre strahlten trotz der harten Probenarbeit um die Wette, denn sie sagen: »Singen im Chor ist Medizin für die Seele.
Von Christine Fauerbach