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Den Druck erhöhen

Am Donnerstag ein Warnstreik: Für 24 Stunden legten die Conti-Mitarbeiter die Arbeit nieder, unterstützt von der gesamten Karbener Politik, für den Erhalt des Karbener Werkes. Foto: Eickhoff
Am Donnerstag ein Warnstreik: Für 24 Stunden legten die Conti-Mitarbeiter die Arbeit nieder, unterstützt von der gesamten Karbener Politik, für den Erhalt des Karbener Werkes. Foto: Eickhoff

Karben. Bei Continental in Karben standen am vergangenen Donnerstag die Bänder still. Denn die IG Metall hatte die gut 1100 Beschäftigten zu einem 24-stündigen Warnstreik aufgerufen. Damit wollten sie vor der nächsten Verhandlungsrunde am Montag den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöhen. Denn der Konzern will den Standort Karben bis Ende 2023 komplett schließen. Die Mitarbeiter wehren sich.
Es ist eisig kalt an diesem Morgen. Gegen 9.30 Uhr zeigt das Thermometer gerade einmal zwei Grad plus. Vor dem Werkstor von Continental Automotive in der Dieselstraße steht ein gutes Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in roten Westen, mit Kappen und Mützen. In einer Metalltonne vor der Hütte der Mahnwache brennen Holzscheite, die ein wenig Wärme bringen.
Als die Ersten am frühen Morgen vor dem Werk erschienen sind, zeigen die Uhrzeiger 5 Uhr. Eine Stunde später erscheinen normalerweise die Mitarbeiter der Produktion zur Frühschicht. Doch an diesem Donnerstagmorgen kommt kaum jemand. Allenfalls ein paar Mitarbeiter mit befristeten Verträgen. Die wollen/müssen arbeiten, weil sie ansonsten ihren Job verlieren. Die Streikposten lassen sie passieren.
Ansonsten sind alle dem Aufruf der IG Metall gefolgt und sind, pandemiebedingt, zu Hause geblieben. Bei Warnstreiks in Normalzeiten sähe es hier sonst ganz anders aus, dann wären ein paar Hundert Mitarbeiter vor dem Tor erschienen. So wie vor elf Jahren, als das Werk schon einmal auf der Kippe gestanden hat und auf dem Platz vor der Einfahrt und die Straße entlang sich der Protest formiert hatte. Aber coronabedingt ist alles anders.
Streikposten in
Vier-Stunden-Schichten

Dennoch wollen die Gewerkschaften an diesem Donnerstag ein deutliches Signal setzen. An der Schranke zur Einfahrt haben sie ein Banner aufgehängt »Dieser Betrieb wird bestreikt.« Nach und nach erscheinen mehr Streikende vor dem Tor, sodass gegen halb zehn doch so zwei Dutzend Mitarbeiter protestieren. Weitgehend sind das die Streikposten, die in Vier-Stunden-Schichten arbeiten. Zu dieser Stunde sind die Posten von der Frühschicht noch da, die von der Vormittagsschicht sind hinzugekommen. Viele von ihnen sind in den Fünfzigern, heißt, für die Rente noch viel zu jung. Eine von ihnen ist Jennifer Weber aus Nieder-Wöllstadt. Die 52-Jährige, die als Teamleiterin in der Leiterplattenfertigung arbeitet, sagt: »Alle wollen, dass es hier weitergeht.« Es gebe viele langjährige Mitarbeiter in dem Werk. »Das Durchschnittsalter liegt bei gut 48 Jahren.« Manche würde die Werksschließung hart treffen.
So etwa auch Jochen Meyer, der aus Lüneburg stammt und sich in Karben quasi eine neue Existenz aufgebaut hat. »Ich habe in Norddeutschland meine Freunde verlassen, um hier arbeiten zu können«, sagt der 51-Jährige. Vor elf Jahren hätten alle hier auf einen Teil des Gehaltes verzichtet, um das Werk zu retten.
Bei den Arbeitenden hat sich Frust breitgemacht: Denn der Arbeitgeber habe in allen Werken von Conti Automotive Ergänzungsverträge abgeschlossen, womit man vom Tarifvertrag in der Metallindustrie abgewichen ist. »Die haben das Geld genommen und dafür Werke in Litauen gebaut«, schimpft einer. Betriebsratsvorsitzender Frank Grommeck bestätigt, der Konzern habe in drei Werken über die gesamten elf Jahre rund 50 Millionen Euro eingespart. »Das ist annähernd das Geld, das er im Ausland in zwei neue Werke investiert hat.«
7000 Euro für
Weiterbildung

Sauer ist man vor dem Werktor an diesem Morgen auch, weil sich die Arbeitgeberseite bei den Verhandlungen im Karbener Rathaus »keinen Millimeter bewegt hat«. Es hat laut Grommeck allenfalls eine Andeutung gegeben, die Arbeitgeberseite könne sich »etwas anderes als die Werksschließung« vorstellen. Das sei aber kein bisschen konkret. Vielmehr fordere die Arbeitnehmerseite eine »Zeitschiene«, wie es weitergehen solle und vor allem mit welcher Mitarbeiteranzahl. Bei den Verhandlungen um einen Sozialtarifvertrag sei auch nicht klar, ob es eine Transfergesellschaft geben werde und wenn ja, mit wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Man fordere zudem 7000 Euro pro Mitarbeiter für eine Weiterqualifizierung, erläutert Betriebsratschef Grommeck. Von Holger Pegelow