Karben. Die Verhandlungen um den Erhalt des Standortes Karben des Continental Automotive Werkes sind in vollem Gange. Die nächste Runde für einen Sozialtarifvertrag soll im Rathaus stattfinden. Das hat Bürgermeister Guido Rahn während der Betriebsversammlung auf dem Werksgelände angeboten. Die Stimmung bei den Beschäftigten ist ausgesprochen kämpferisch.
»Geduld am Ende!« steht über der Einladung zur jüngsten Betriebsversammlung, die am Seiteneingang neben dem Stand der Mahnwache hängt. Und gegenüber der Hauptein- und -ausfahrt zum Werksgelände prangt am Zaun des Baustoffhandels ein riesiges Poster: »Wir kämpfen für unsere Arbeitsplätze« steht dort in Großbuchstaben zu lesen.
Mehrere Hundert Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Continental Automotive Werkes im Gewerbegebiet sind am Donnerstagmittag der Vorwoche zur Betriebsversammlung auf das Werksgelände gekommen. Und als über die Lautsprecher die Frage gestellt wird »Was machen wir?«, schallt es aus Hunderten Kehlen »Wir bleiben hier!«.
Genau das ist die Stimmung bei den 1088 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Werkes, dessen Schließung die Konzernleitung im Frühjahr 2020 beschlossen und dem der Aufsichtsrat im vergangenen Herbst zugestimmt hatte. Die Conti-Beschäftigten, die aus der Region Frankfurt, Wetterau und Main-Kinzig kommen, wollen am Standort Karben bleiben. Und dafür kämpfen sie. Ihre Geduld, so wird in den Reden des Mittags deutlich, scheint am Ende zu sein. Die Mitarbeiter seien streikbereit, hat der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Bezirks Frankfurt, Michael Erhardt, beobachtet. Mittlerweile seien 80 Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert, freuen sich die Verantwortlichen.
2024 sollen die letzten Lichter ausgehen
Ihre Strategie haben sie bereits im Herbst vergangenen Jahrers deutlich gemacht: »Die IG Metall und der Betriebsrat wollen das Werk und die Arbeitsplätze am Standort Karben erhalten.« Es lohne sich, für den Erhalt des Standortes zu kämpfen, wie schon der Standort Babenhausen zeige. In den ersten beiden Verhandlungsrunden mit der Arbeitgeberseite hat die Gewerkschaft hohe Hürden genannt, nach dem Motto »Es wird teuer!«. Sprich: Die Schließung des Werkes in der Industriestraße würde den Konzern Millionen kosten.
In den Reden wird deutlich, dass sich viele von der Konzernzentrale in Hannover provoziert fühlen. »Ein zweites Babenhausen wird es nicht geben«, zitiert einer den Vorstand am Mikrofon. Für das andere hessische Werk, das auch geschlossen werden sollte, hatte es zu Beginn des Jahres einen mehrjährigen Aufschub gegeben.
Wie berichtet, will der Konzern deutschlandweit rund 13 000 Arbeitsplätze abbauen. Neben Regensburg und Babenhausen ist auch Karben von Schließung bedroht. Hier sollen laut Vorstand und Aufsichtsrat spätestens im Jahr 2024 die Lichter ausgehen.
Die Gewerkschaften wie auch die Arbeitnehmer halten dagegen, bei Karben handele es sich um eines der modernsten und innovativsten Werke der Branche. Von hier aus werden just in time viele Automobilwerke in ganz Deutschland beliefert.
Die Verantwortlichen der Gewerkschaft fordern nun, dass das Karbener Werk nicht nur für Auftraggeber aus der Autoindustrie produziert, sondern auch für andere Branchen. Zudem argumentieren sie, dass schon jetzt in Karben Systeme für autonomes Fahren hergestellt werden, »das ist quasi eine Zukunftsproduktion«. Die könne nicht einfach verlagert werden, sagen Erhardt und der Betriebsratsvorsitzende Frank Grommeck. Auf der Betriebsversammlung ist der Ton kämpferisch. Grommeck sagt: »Das Maß ist voll.«
Ebenfalls an der Betriebsversammlung nahm auf Einladung Bürgermeister Guido Rahn teil, der den Beschäftigten seine Solidarität versicherte. Er bot an, dass die nächste Runde der Verhandlungen über den Sozialtarifvertrag Mitte April im Rathaus stattfinden könne. Von der Conti-Geschäftsführung erwartet er konstruktive Vorschläge, um für den Standort in Karben eine Perspektive aufzuzeigen«, so Rahn. Von Holger Pegelow