Bad Vilbel. Beim Turnverein Bad Vilbel 1881 ging eine Ära zu Ende. TV-Vorsitzender Wolfgang Schmidt verabschiedete das Trainerehepaar Adda (75) und Gerhard (80) Finger gemeinsam mit der stellvertretenden Vorsitzenden Elke Niber in den Ruhestand.
Sport bildet neben der Familie den Lebensmittelpunkt von Adda und Gerhard Finger. Beide haben ganze Generationen von jungen Menschen an das Turnen herangeführt, ihre Begeisterung für das Turnen mit ihren Schülern geteilt und an sie weitergegeben. »Es ist ein riesiger Glücksfall für jeden Verein, einen Trainer wie Gerhard Finger in seinen Reihen zu haben«, lobten TV-Vorsitzender Schmidt und Bürgermeister Thomas Stöhr.
Verlässlich
»Für den Turngau Frankfurt am Main war Gerhard Finger stets eine verlässliche Bank«, hob Helen Rabe-Weber, Vorstandsmitglied Personalentwicklung und Geschäftsführerin des Turngau Frankfurt, hervor. Die Fingers waren stets zur Stelle, wenn sie gebraucht wurden. Dazu gehörte die Ausrichtung großer Veranstaltungen wie 1983 und 2009 das Deutsche Turnerfest mit mehr als 65 000 Turnern.
»Für uns ist Gerhard Finger das Gesicht des TV Bad Vilbel.« Bürgermeister Stöhr hat Gerhard Finger bereits 2011 in »Würdigung seiner besonderen Verdienste« mit der Silbernen Ehrennadel der Stadt ausgezeichnet. Am Sonntag erhielt Gerhard Finger nach mehr als 53 Jahren als TV-Trainer die Goldene Ehrennadel überreicht.
Helen-Rabe-Weber verlieh dem Trainer Ur-Gestein für seine »Verdienste um das Turnen und treue Verbundenheit in dankbarer Anerkennung« die Ehrennadel in Gold des Hessischen Turnverbandes (HTV).
Bereits 1981 hatte Gerhard Finger für sein weit über die Stadt und das Land Hessen hinausgehendes Engagement die DTB Ehrennadel in Bronze und 2011 die HTV-Ehrennadel in Silber erhalten. Finger bedankte sich bei den Vertretern des Vereins, der Stadt, dem Turngau und dem HTV für die Ehrungen. Er betonte: »Wenn ich meine Frau nicht gehabt hätte, hätten wir keine Wettkämpfe machen können.«
Mit Herz und Seele
Die ehemalige Turnerin Bärbel Rüther, die erst als 14-Jährige von der Leichtathletik zum Turnen wechselte, dankte den Fingers im Namen aller Sportler und Sportlerinnen des TV Bad Vilbel. An Gerhard Finger gewandt, sagte sie: »Von deinem Wissen und Können haben wir alle profitiert. Du hast uns alle im Kunst-, Geräte- und Leistungsturnen zu unseren Höchstleistungen geführt. Und ihr beide habt stets Training, Wettkampfvorbereitungen wie Wettkämpfe mit Herz und Seele organisiert.« Die Bandbreite des Engagements der Fingers reichte vom Mutter- und Kind-Turnen über alle Ballettgruppen bis zum Senioren-Turnen.
Zu den Gratulanten gehörte mit Gudrun Haak, geborene Arras, die erste Turnerin des TV Bad Vilbel, mit der Gerhard Finger zu einem Wettkampf fuhr. »Das war die Deutsche Mehrkampfmeisterschaft in Remscheid 1974«, erinnert sich Gerhard Finger.
»Don’t worry«
Zwölf Turnerinnen von Trainerin Annika Spiegler zeigten den Fingers und ihren Gratulanten ihr Können in einer Vorführung zum Song »Dont worry« und überreichten als Geschenk einen Zwerg-Pfirsichbaum. Gerhard Finger hatte die Mädchen zuvor trainiert und lobte einige für ihre Fortschritte, was diese mit einem strahlenden Lächeln quittierten.
»Fördern und Fordern« lautete stets das Motto des Trainers, der früher selbst auf Kreisebene turnte. Die von ihm trainierten Leistungsturnerinnen standen beim Finale von Gau-Mannschaftsmeisterschaften des Turngaues Frankfurt, Hessischen und Deutschen Meisterschaften fast immer auf dem Treppchen.
Geboren und aufgewachsen ist Gerhard Finger, dessen Frau Adda aus Goslar kommt, in Vilbel. »Das hatte damals noch nicht den Zusatz »Bad«. Fingers Großvater Karl Hirschmann war Gründer des Turnvereins Massenheim. Gerhard Finger lernte Schriftsetzer und studierte dann Sport. Von 1969 bis 1974 unterrichtete er Sport an der John-F.-Kennedy-Schule. Von 1967 bis 2004 war er als hauptberuflicher Trainer und Sportlehrer beim TV Bad Vilbel angestellt. Als Ruheständler trainierte er bis Frühjahr 2020 (Beginn der Corona-Pandemie) Turner aller Altersgruppen, vor allem Mädchen.
Zwischen acht und 20 Jahre alt sind die Leistungsturnerinnen, die ihr Können bei Wettkämpfen am Boden, Schwebebalken, Stufenbarren und beim Sprung unter Beweis stellen. »Beim Geräteturnen gibt es viele Kleinigkeiten, die erarbeitet werden müssen«, betont Gerhard Finger. Im Gegensatz zu früher hat er in den letzten Jahren die Übungen nicht mehr selbst vorgeturnt. Ein künstliches Kniegelenk und zwei neue Hüften bremsen den Sportler aus Leidenschaft teilweise aus. Fit hält er sich heute vor allem mit Fahrradfahren und Seniorengymnastik.