Bad Vilbel. Einen „besinnlichen“ Abend hatte Ilka-Maria Thurmann zu Beginn ihres Vortrags zum Thema „Kinderwunsch und der bewusste Weg zur Elternschaft“ den etwa 20 überwiegend weiblichen Zuhörern im Café des Bad Vilbeler Kurhauses angekündigt. Es wurde ein informativer Abend. Denn auf Einladung des städtischen Familienbüros zeigte die Bad Vilbeler Diplom-Pädagogin Thurmann (Jahrgang 1958, Mutter eine Tochter) Alternativen zur künstlichen Befruchtung auf. Sie richtete sich damit an Paare, die trotz nicht vorhandener medizinischer Indikation kinderlos bleiben.
Gleichwohl wies sie darauf hin, dass ihr Vortrag nicht gegen Ärzte und die In-vitro-Fertilisation (IVF) gerichtet sei. IVF (aus dem Lateinischen: „Befruchtung im Glas“) ist eine Methode zur künstlichen Befruchtung. In Deutschland ist diese Behandlung zulässig, wenn bei einem (Ehe-) Paar ein Jahr lang trotz regelmäßigen, ungeschützten Geschlechtsverkehrs keine Schwangerschaft eintritt.
„Kinder lassen sich nicht machen, sie werden gezeugt und empfangen“, ist Thurmann überzeugt. Sie hat gemeinsam mit der Wissenschaftsjournalistin Theresia Maria de Jong jüngst ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht. Eindringlich plädierte sie in Bad Vilbel für einen Perspektivenwechsel in der Kinderwunschdebatte.
Dass die Seele den Körper beeinflusse, sei heutzutage unumstritten, sagte sie. Jedoch bleibe dieser Aspekt in der Kinderlosen-Therapie weitestgehend unbeachtet. „Dabei gehört auch bei der ,Erschaffung‘ eines Kindes die Seele dazu“, sagte Thurmann und verwies auf die geringe Erfolgsquote von Therapien, die sich rein auf körperliche Funktionen beschränkten. So seien nur neun Prozent aller IVF von einer Schwangerschaft gekrönt. Thurmann: „Schwanger werden ist ein Prozess, der im Idealfall ein bis zwei Jahre dauert.“ Es sei eine Wartezeit, die nicht als Belastung empfunden werden sollte, sondern gut investiert sei, wenn sie von dem Paar dazu genutzt werde, sich selbst besser kennen zu lernen, Vertrauen in die eigenen Kräfte zu entwickeln und loszulassen. „Der Wille allein ist ein schlechter Begleiter. Selbst wenn sich beide hundertprozentig für das Kind entschieden haben, können noch Ambivalenzen da sein“, betonte die Diplom-Pädagogin. Eine Schwangerschaft sei stets eine Herausforderung für die Paar-Dynamik, viele eingespielte Rollen gerieten durcheinander. Für Frauen, die bis dahin finanziell unabhängig gewesen seien, bedeute die Geburt eines Kindes, dem Mann vorübergehend ausgeliefert zu sein. Ferner sei es wichtig zu klären, welcher Natur der Kinderwunsch ist. Sei er aus „arger Bedrängnis“ entstanden, vielleicht sogar schon ins Zwanghafte gesteigert, oder sei es ein „erwachsener“ Wunsch, bei dem man sich – nach einer angemessenen Trauerzeit – wieder anderen Dingen im Leben zuwenden könne. All dies seien Faktoren, die die Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit beeinflussen könnten. Umso wichtiger sei es für Eltern mit Kinderwunsch, sich Klarheit über ihre eigenen Voraussetzungen zu verschaffen.
Dazu gehöre nicht nur die Klärung der gegenwärtigen Situation, sondern auch der Blick auf die eigene pre-, peri- und postnatale Entwicklung, die Einfluss auf das ganze spätere Leben habe. Neben diesen psychologischen Aspekten seien auch konkrete Umstände wie Lebensstil, Ernährung und Stress nicht zu vernachlässigen. Nicht zuletzt sei Geduld unerlässlich beim Prozess des Schwangerwerdens: „Ein Kind wird am besten gezeugt, wenn es in Ruhe gerufen wird“, so Thurmann am Ende ihres eineinhalbstündigen Vortrags, den sie mit zahlreichen Fallbeispielen aus ihrer eigenen Praxis bereicherte.