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Die Natur vor der eigenen Haustür – Der Bad Vilbeler Wander-Trail ist 14,5 Kilometer lang

Andrea Halling und Rainer Gilbert vor dem Tümpel auf dem renaturierten Schießplatz. Foto: Eickhoff
Andrea Halling und Rainer Gilbert vor dem Tümpel auf dem renaturierten Schießplatz. Foto: Eickhoff

Von Patrick Eickhof

Bad Vilbel. Am Donnerstag der vorigen Woche war der  Tag des Wanderns. Andrea Halling und Rainer Gilbert von den Naturfreunden Bad Vilbel wissen: Um Natur hautnah erleben zu können, müssen es nicht das Allgäu oder der Schwarzwald sein. Denn in der Quellenstadt gibt es einen ganz besonderen Wanderweg. Auf 14,5 Kilometern schlängelt sich dieser vom alten Schießplatz bis ins Vogelschutzgebiet bei Gronau.

Gesperrte Sportplätze, geschlossene Fitnessstudios. In den vergangenen Wochen mussten viele auf ihr Hobby verzichten. Andrea Halling nicht. »Wandern war Gott sei Dank erlaubt«, sagt sie. Dennoch sei es nicht das Gleiche. »Was das Wandern ausmacht, ist die Gemeinschaft.« Und die fehlt.
Die 55-Jährige steht am Ritterweiher, wartet auf Rainer Gilbert. Mit ihm und weiteren Naturfreunden aus Bad Vilbel ist sie einmal im Monat auf mehr oder weniger bekannten Strecken in der Wetterau unterwegs. Normalerweise. »Wir sind auch nicht mehr die Jüngsten«, sagt sie und lacht. »Wir halten uns selbstverständlich an die Regeln und haben unsere kommenden Wanderungen abgesagt.« Auch das im »Hexenloch« im Vilbeler Wald gelegene Vereinsheim bleibt geschlossen.

Biologische Vielfalt
Heute geht es für die beiden in den Wald. Sie wissen, was sie am Wandern haben. »Um die Natur zu erleben, muss ich Bad Vilbel nicht verlassen«, sagt Wanderleiter Rainer Gilbert. Unter seiner Leitung haben die Naturfreunde Hessen gleich mehrere sogenannte Natura Trails ausgewiesen. Sie sollen die biologische Vielfalt erlebbar machen und gleichzeitig zu einem bewussten Aufenthalt in der Natur anregen.
»In Hessen gibt es mittlerweile 18 Stück. Seit Sommer auch einen in Bad Vilbel.« Denn in der Heimatstadt der beiden Naturfreunde gibt es viel zu entdecken. »Viele wissen gar nicht, dass sie die Natur direkt vor der Haustür haben«, sagt Gilbert.
Erster Stopp: Ehemaliger Schießplatz im Vilbeler Wald. Auf den Feuchtbiotopen und Trockenflächen hat inzwischen eine reiche Pflanzen- und Tierwelt ihr Zuhause gefunden. Das US-amerikansche Militär hat den Platz früher als Schießanlage genutzt. »Obwohl wir nicht durften, sind wir als Kinder natürlich trotzdem immer wieder hin«, sagt Andrea Halling.

Viele ebene Wege sorgen dafür, dass die Wanderung des Natura Trails nicht allzu anstrengend ist.

Festes Schuhwerk
Da Halling und Gilbert beide aus Bad Vilbel kommen, erkennen sie an fast jeder Station die Unterschiede zu damals. »Ich bin früher oft in den Wald zum Spielen«, sagt der 61-Jährige. »Aber auch wenn man den Wald nicht von früher kennt, oder Veränderungen einzelner Gebiete erkennen kann, ist es eine schöne Strecke zum Laufen.«
Weiter geht’s in Richtung FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat) »Berger Warte«. »Der Wald ist unfassbar grün«, sagt Andrea Halling. »Das ist, finde ich, etwas Besonderes. Es grünt und blüht an allen Ecken und Enden.« Ein Aspekt, der nicht nur ihr auffällt. Denn zwischen FFH-Gebiet und den Streuobstwiesen sind Spaziergänger, Familien und Jogger unterwegs. »Es ist eine sehr beliebte Strecke mit einem fantastischen Ausblick in Richtung Taunus«, sagt Gilbert. »Und wenn wir weiterlaufen, dann folgt der Blick in die Wetterau.«
Um wandern zu gehen, braucht es nicht viel. »Es reicht festes Schuhwerk und etwas zu trinken«, sagt Andrea Halling. Wer den Bad Vilbeler Natura Trail abläuft, braucht rund vier Stunden. »Es gibt Leute, die rennen ihn förmlich ab. Das ist aber nicht das, worauf es beim Wandern ankommt. Da geht es um Gespräche und um die Natur«, sagt Wanderleiter Gilbert.

Quiz für Kinder
Um das Wandern auch für den Nachwuchs interessanter zu machen, gibt es auf der 14 Kilometer langen Strecke außerdem einen sogenannten Actionbound. Bei der smartphonegeführten Tour werden Quizfragen gestellt. »Wir haben Unterstützung vom Berufsbildungswerk Südhessen in Karben bekommen«, sagt Andrea Halling. »Die jungen Leute wissen eher, was interessant ist, als wenn wir das für sie machen.«
Dass nur ältere Menschen wandern, sei eher ein Vorurteil. »Das liegt vielleicht auch am Wort. In den vergangenen Wochen waren sehr viele junge Leute draußen auf langen Strecken spazieren. Das ist nicht immer ein großer Unterschied zum Wandern.«
Dass ein Teil der Strecke auf Frankfurter Gemarkung liegt, stört Rainer Gilbert nicht. »Wir waren so nett und haben es eingemeindet«, sagt er und lacht. Er blickt in die Ferne. Obwohl er nicht zum ersten Mal ins Tal schaut, steht dem 61-Jährigen die Freude ins Gesicht geschrieben. »Der Ausblick ist einfach atemberaubend.« Nur eine Sache fehlt dem Wanderleiter in diesem Moment. »Ich hoffe, dass wir bald wieder alle gemeinsam wandern können«, sagt Gilbert. »Selbstverständlich mit Einkehr im Anschluss.«

Landschaftliche Vielfalt – Vom Südbahnhof zu den Berger Wiesen in die Wetterau nach Gronau

Bad Vilbel. Der Natura Trail trägt den Beinamen »Von den Berger Wiesen in die Wetterau«. Er führt in das Flora-Habitat-Gebiet »Berger Warte« und das Vogelschutzgebiet »Wetterau«. Konzipiert wurde die Wanderstrecke von Andrea Halling, Klaus Schermelleh und Rainer Gilbert. Insgesamt ist er 14,5 Kilometer lang.
Start ist am Bad Vilbeler Südbahnhof. Endpunkt ist der Bahnhof in Gronau. »Wir wollen, dass die Leute mit den Öffentlichen anreisen«, sagt Naturfreunde-Wanderleiter Rainer Gilbert. Stationen sind u. a. der ehemalige Schießplatz, die »Berger Warte«, der »Weg der Tiefe«, die Streuobstwiesen und das Vogelschutzgebiet Wetterau. Gilbert verspricht: »Auf der Strecke ist für jeden etwas dabei.«
Den Flyer mit Übersicht über die Streckenführung gibt’s auf www.naturfreunde-hessen.de/natura-trail-bad-vilbels-landschaftliche-vielfalt-berger-wiesen-wetterau.
Dort gibt es auch Informationen zum Actionbound für Kinder und Jugendliche.

Von Patrick Eickhoff