Die Jünger sind mit ihrem Boot unterwegs auf dem See, als plötzlich ein Sturm, ein richtiger Wirbelwind aufkommt, und es sich binnen kurzer Zeit mit Wasser anfüllt. Die Stürme auf dem See Genezareth können gewaltig sein, und so ist es kein Wunder, dass die Jünger es mit der Angst zu tun bekommen.
Genauso eine Angst, wie sie im Moment wohl viele von uns befällt, angesichts der Corona-Krise und der immer neuen schrecklichen Nachrichten. Doch überraschenderweise scheint Jesus die Angst seiner Jünger zu tadeln, als er sagt: »Was seid ihr so furchtsam, habt ihr keinen Glauben?«
Allerdings denke ich, dass diese Worte Jesu eher ein liebevoller Hinweis an die Jünger sind als ein Vorwurf an sie. Denn wenn wir Jesus an Bord haben, brauchen wir keine Angst zu haben. Nicht, dass uns mit ihm nichts mehr passieren kann. Aber wenn er an Bord ist, dürfen wir ihn rufen, auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, dass er schläft, und er wird dafür sorgen, dass uns letztlich alles zum Besten dienen muss (Römer 8, 28); und darauf vertraue ich angesichts der Katastrophe, in der wir uns momentan befinden, ganz besonders.
Gorch Fock (1880-1916) hat einmal gesagt: »Was bedeutet mir der Sturm, wenn Gott der Ozean ist?« Als die Jünger Jesus aufwecken, steht er auf und bedroht den Wind: »Schweig und verstumme!« Und der Wind legt sich und es entsteht eine große Stille. Das bedeutet für mich, dass der Sturm Angst vor Jesus hat.
Was für ein tröstlicher Gedanke: All das, was mir im Leben Angst macht, hat auch Angst vor meinem Gott. Wenn ich mich klein und machtlos fühle, vielleicht angesichts der Corona-Krise mit all ihren unglaublichen Folgen oder auch andere Sorgen und Nöte mich bedrücken, dann darf ich wissen, dass Gott größer und mächtiger als meine Ängste und Sorgen ist; oder anders ausgedrückt: »Sage Gott nicht, wie groß der Sturm ist, sondern sag dem Sturm wie groß dein Gott ist!«
Als die Jünger sehen, dass Jesus der Herr über den Sturm ist, fürchten sie sich und haben Ehrfurcht vor ihm. Diese Ehrfurcht vor Gott haben heute viele Menschen verloren. Wir verfügen über unser Leben, über das Leben anderer, über Geld, über Zeit und über die Ressourcen der Natur, so als ob uns das alles auf ewig gehören würde. Ich bin überzeugt, wenn wir mehr Ehrfurcht und Respekt vor Gott hätten und wüssten, dass es darauf ankommt, dass wir vor ihm bestehen können, dann würden auch manche unserer Ängste ihre Macht verlieren. Denn ich darf darauf vertrauen, was der Liederdichter Arno Pötzsch geschrieben hat: »Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand.« (EG 533, 1)
Diese bergende und liebende Hand Gottes wünsche ich Ihnen in diesen Tagen ganz besonders. Bleiben Sie so lange es geht gesund und geben Sie auf sich acht.
Mit allen guten Wünschen
Pfarrer Jürgen Seng,
Ev. Heilig-Geist-Gemeinde