Bäuerinnen sprechen sich für ein gemeinsames Vorgehen der Verbände aus
Bad Vilbel. So gut wie jeder dürfte in den vergangenen Wochen den einen oder anderen Traktor-Korso auf den Straßen der Wetterau wahrgenommen haben. Deutschlands Landwirte sind verärgert über die Agrarpolitik. Am vergangenen Wochenende wurde in Berlin demonstriert – gleich mehrfach. Mit dabei waren auch zwei Landwirtinnen aus der Wetterau. Sie rufen die verschiedenen Bauern-Bündnisse zur Einigkeit auf.
Menschen wie Lara Göhring aus Ockstadt werden immer seltener. Die 32-Jährige ist Landwirtin und führt ihren eigenen Betrieb. Doch entscheiden sich immer weniger junge Leute dazu, die oft von der Familie über Generationen geführten Höfe zu übernehmen. Die junge Mutter ist zudem Geschäftsführerin der Hessischen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL). Mit ihr am Tisch sitzt Margarethe Hinterlang. Sie ist 65 Jahre alt und Rentnerin, hat ihren Beruf als Landwirtin auf dem Dottenfelderhof ausgeübt und engagiert sich weiterhin. »Ihre schwierige berufliche Situation bringt Bauern überall in Deutschland seit Monaten auf die Straßen«, berichtet sie. Verschiedene Protestgruppen hätten sich rasend schnell gebildet, ausgelöst vor allem durch das Agrarpaket der Bundesregierung, das im September verabschiedet wurde. Viele Landwirte fühlten sich durch neue Verordnungen – vor allem im Bereich der Regularien zum Düngen der Äcker – ihrer Werkzeuge beraubt, verantwortlich für Klimaprobleme gemacht und generell wenig wertgeschätzt. Natürlich sind die Kritikpunkte der Landwirte damit nur angeschnitten.
Kritik an der Politik
»Das Problem ist außerdem, dass sich die Agrarpolitik der Bundesregierung an den Weltmarktpreisen orientiert«, fügt Göhring an. »Immer günstigere Preise für Lebensmittel, für den Landwirt bleibt so kaum etwas übrig. Da verstehe ich es, dass viele einen Hof nicht übernehmen wollen und Bauern auf die Straße gehen.«
Göhring und Hinterlang weisen auf bundesweite Demonstration »Wir haben es satt« in Berlin hin. Unter diesem Slogan demonstrieren seit zehn Jahren zahllose Organisationen, Landwirte und auch Verbraucher für eine soziale und ökologisch gerechte Agrarpolitik, gesunde Nahrungsmittel, mehr Klimaschutz in der Lebensmittelherstellung und weniger Industrialisierung der Bauernhöfe.
Was Margarethe Hinterlang und Lara Göhring irritiert: Die Bewegung »Land Schafft Verbindung«, die deutschlandweit aktiv ist und sich im Zuge der jüngsten Proteste gebildet hat, hat eine eigene Demo nur einen Tag vor »Wir haben es satt« angekündigt. »Ich kann nicht ganz verstehen, warum das so ist. Inhaltlich gibt es eigentlich keinen Grund dazu, zwei verschiedene Demonstrationen zu machen«, überlegt Lara Göhring.
Sie und Margarethe Hinterlang wollen deshalb darauf aufmerksam machen, dass es mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft bereits eine Initiative gibt, die Landwirte organisiert, egal ob diese konventionell oder biologisch arbeiten, und auf gemeinsame, zukunftsorientierte politische Lösungen aus ist. »Wenn das bekannter wäre, wären wir vermutlich mehr und könnten mehr erreichen als mit einzelnen Bündnissen.«
Außer zukunftsorientierten Lösungen fordert die ABL unter anderem faire Erzeugerpreise, fairen Handel, artgerechte Tierhaltung und die Unterstützung von bäuerlichen und gesellschaftlichen Initiativen. »Ich versuche überall, wo ich auf Landwirte treffe, sie für die ABL zu begeistern«, schildert Lara Göhring.
Biologische Vielfalt
Die junge Mutter Göhring führt ihren Betrieb in Ockstadt erfolgreich, hat jedoch, wie sie sagt, selbst allen Grund, sich gegen die aktuelle Situation zu wehren. Sie berichtet von EU-Geldern, die an Landwirte gezahlt werden: »Diese Zuschüsse werden nur nach Fläche berechnet. Ein Landwirt, der große Felder hat, erhält enorm viel Geld, völlig egal, was er auf den Feldern tut. Mein Hof ist eher klein, dafür baue ich biologisch an und setze auf große biologische Vielfalt. Ich erhalte nur wenig Zuschüsse.« Deshalb sei ein neuer Berechnungsschlüssel der Zuschüsse dringend nötig, findet sie.
So sollen im Hinblick auf den Klimawandel auch kleine Betriebe belohnt werden, die sich mit den Problemen der Landwirtschaft mit Blick in die Zukunft beschäftigen und sich dafür einsetzen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.