Karben. Es ist ein seltsamer Anblick am Sonntagmorgen im Karbener Wald: Frauen und Männer in orangefarbener Signalkleidung mit Hunden und geschulterten Schrotflinten stehen links und rechts des Trimmpfades. Von Joggern oder Spaziergängern fehlt jede Spur. Rot-weißes Trassierband flattert im Wind. Alles ist weiträumig abgesperrt.
Frauen und Männer in grünlicher Kleidung mit Warnwesten und Hunden gehen die Wege entlang. Sie kommen zur Treibjagd, zu der Jagdpächter Wolfgang Schomber erstmals nach vielen Jahren eingeladen hat.
Mehr als 30 Waidleute sind in Schombers Revier nach Groß-Karben gekommen. Raubtiere wie Füchse, Dachse, Waschbären und Marder stehen auf der Abschussliste. Wildschweine ebenfalls. Denn diese Allesfresser fühlen sich inzwischen auch in der Karbener Gemarkung heimisch. Außerdem ist eine geringe Zahl an Hasen zur Jagd freigegeben.
Position bezogen
Aus der Ferne sind laute Rufe, Trillerpfeifen und Hundegebell zu hören. Das Jagen hat begonnen. In einer Linie durchstreifen Treiber das Unterholz: Ihre Aufgabe: Tiere, die sich verstecken, aufzuscheuchen. Die Jagdhunde folgen ihrem Trieb, haben schnell Witterung aufgenommen. Derweil haben die Jäger ringsherum auf den Waldwegen Position bezogen. Sie lauern auf flüchtendes Wild. Vorwärts getriebene Tiere versuchen zur Seite auszubrechen. Das Tohuwabohu aus dem Wald kommt näher. Die Schrotgewehre sind geladen, aber noch nicht entsichert.
»Das erfolgt erst kurz vorm Schuss«, erklärt Sebastian Schomber, der Sohn des Jagdpächters. »Dann geht alles sehr schnell. Niederwild wie Rehe und Hasen, ist allerdings nicht so einfach zu treffen«, erklärt er. »Man muss ein gutes Stück vorhalten beim Zielen, weil Schrotmunition langsamer ist als eine Kugel, die aus einem Repetiergewehr abgefeuert wird.« Eine weitere Regel: Es darf nicht in den Wald hineingeschossen werden, »weil man Treiber oder Hunde erwischen könnte.«
Die Schützen stehen 30 bis 35 Meter voneinander entfernt bis zur Landstraße, die den Karbener Wald durchquert. Dort knallt es zum ersten Mal. Kurz darauf fällt ein zweiter Schuss, diesmal direkt in Schombers Nachbarschaft. Ein Hase flitzt übers Feld davon. Ein »schusshitziger« Hund verfolgt ihn. Die Jägerin hat ihr Ziel verfehlt. »Nur ein gesunder Hase kann so schnell flüchten«, sagt Schomber.
Die Tiere spüren, was die Stunde geschlagen hat. Sie lernen dazu. Bei Weitem nicht alle lassen sich aus der Deckung hervorlocken. Manchmal treten die Treiber fast schon auf eins drauf, bevor es die Flucht ergreift. Andere bleiben einfach im dichten Brombeergestrüpp liegen. Der Erfolg einer Treibjagd hängt auch von den »Anstellern« ab. Das sind Ortskundige, die den Ablauf planen und Positionen zuweisen. Der Karbener Jürgen Uebel ist einer von ihnen. »Ich kenne hier jeden Meter Waldboden«, sagt er. »Das ist für Leute wichtig, die den Wald nicht kennen.«
Vier Parzellen im Wald sollen bejagt werden. Auf dem Weg zum nächsten Standort bleibt Zeit für eine Kaffeepause am Wagen des Jagdpächters. Hier kommen die Jägersleute zusammen, tauschen sich aus. Manchmal erfährt man dabei, warum jemand zur Jagd geht. Bei Tim Stöveken liegt es wohl in den Genen. Seine Eltern hätten ihn schon als Kind mitgenommen. So wurde aus anfänglicher Neugier eine Leidenschaft fürs Leben. Und diese Leidenschaft, das bestätigt auch Jung-Jäger Florian Herbig, sei sehr stark.
Den Gruß »Waidmannsheil!« nach einem Abschuss hört man an diesem Sonntag selten. Kaum ein Fuchs, Dachs oder Waschbär wird zur Strecke gebracht.