Schöneck. Die Tage der Schönecker Thylmann-Getreidemühle sind gezählt. Ende Januar wird sie ihre Produktion einstellen und ihre Tore für immer schließen. Die Meldung verunsichert die Landwirte in der Region. Bürgermeisterin Conny Rück lehnt den Kauf der Fläche ab. Nun hoffen die Besitzer, dass sich ein Investor findet. Im Verwaltungsgebäude wurden schon Wohnungen vermietet.
Strukturelle Veränderungen am Markt seien verantwortlich für die Schließung der Thylmann-Mühle in Kilianstädten. So lautete die knappe Begründung der neuen Geschäftsleitung. Diese Entscheidung überrascht alle: Mitarbeiter, Landwirte und Bürgermeisterin Conny Rück (SPD).
Erst im September dieses Jahres hatte die Bindewald und Gutting Verwaltungsgesellschaft das Unternehmen in Schöneck gekauft. Die neuen Besitzer handelten sofort: Als Erstes wurde die Roggenverarbeitung eingestellt und nun trifft es den ganzen Betrieb. »Wir müssen die Fertigung bündeln und rationalisieren«, sagt Martin Bindewald gegenüber der Zeitung.
Knapp 40 Mitarbeiter arbeiten in der Mühle. Sie habe hauptsächlich den regionalen Markt bedient. Pro Jahr sind etwa 80 000 Tonnen Getreide verarbeitet worden. »Das ist heute zu wenig«, sagt Martin Bindewald. Sein Unternehmen agiere bundesweit und betreibe schon jetzt Mühlen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mit deutlich höheren Kapazitäten.
Die Kilianstädter Mühle hat eine lange Tradition. Schon seit mehr als 650 Jahren wird hier Getreide verarbeitet, hauptsächlich Roggen und Weizen. Ihren Namen hat die Mühle von Heinrich Thylmann, der sie um 1900 kaufte und zu einem Industriebetrieb mit einer Tagesleistung damals von 20 Tonnen ausbaute.
Die Bindewald-Gutting-Gruppe hat ihren Blick auf das gesamte Bundesgebiet ausgerichtet. Von Anfang an war deshalb ihr Ziel, den Mühlenbetrieb in Kilianstädten schnellstmöglich einzustellen. Was aus den Bediensteten der Thylmann-Mühle werden soll, dazu wollte sich Bindewald nicht äußern: «Wir führen zurzeit Gespräche mit dem Betriebsrat und den Mitarbeitern.«
Bleiben die Landwirte. Die sind sauer, denn die haben jetzt nur die Wahl, entweder mit ihrem Getreide zur nächsten Mühle nach Hanau zu fahren oder ihre Ernte von Fuhrunternehmern abholen zu lassen. »Beides kostet richtig Geld und lässt die Gewinnmarge bei uns Landwirten noch mehr sinken«, rechnet der Landwirt Michael Hahn aus Kaichen vor. Auch der Regionalbauernverband Wetterau-Frankfurt meldet sich besorgt zu Wort: »Alle sprechen von regionaler Wertschöpfung. Aber wie soll das ohne lokale Verarbeiter funktionieren?«, fragt Vorsitzende Andrea Rahn-Farr. Der Verlust der Kilianstädter Mühle sei für die Wetterauer Landwirtschaft ein herber Schlag.
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