Bad Vilbel. »Charakterlich hat es damals einfach gepasst«, erinnert sich Inge Lehr an die Zeit, als es vor mehr als 60 Jahren mit ihrem Helmut »Ernst wurde«. Am vergangenen Mittwoch feierte das Ehepaar ihre Diamantene Hochzeit.
1959. Damals sah die Quellenstadt noch ganz anders aus, vor allem das Bad fehlte im Namen, und die Stadt war bei weitem nicht so groß wie heute. »Im Vergleich zu heute war es ein Dorf«, sagt Inge Lehr. »Jeder kannte jeden.« Und daher kannte sie auch den schmucken Typen aus der Feldbergstraße. »Damals gab es viele Tanzveranstaltungen, da lernte man sich schnell kennen«, meint auch Helmut Lehr. »Von Anfang an, war es eigentlich klar, dass es bei uns einfach passt. Wir konnten uns in allem aufeinander verlassen. Das ist schon etwas ganz Besonderes.«
»Als wir dann 1959 heirateten, setzte sich das fort«, sagt Inge Lehr. »Natürlich war es auch mal anstrengend, doch wir haben uns immer gegenseitig Halt gegeben.« Die Lehrs waren geschäftstüchtig. Bald entstanden zwei Läden: Ein Schreibwarenladen und einer für Büromaschinen. »Ich wollte mich eigentlich immer selbstständig machen«, erklärt Helmut Lehr. »Ich hatte den Büroladen, sie den für die Schreibwaren.«
Doch richtig getrennt ging es auch hier nicht. »Es gab natürlich viel zu tun«, erinnert sich Inge Lehr. »Manchmal so viel, dass wir uns gegenseitig aushelfen mussten. Doch auch wenn es mal stressig war, etwas ausgemacht hat mir das nie.«
Die größten Herausforderungen stellten aber Helmut Lehrs ehrenamtlichen Tätigkeiten dar. »Der damalige Bürgermeister Georg Muth sprach mich an: Hör mal, du bist doch ein alter Vilbeler. Willst du dich nicht engagieren?« Lehr engagierte sich. Erst als Kassierer im Ortsverein der SPD, dann als Stadtverordneter und Stadtrat. Über 40 Jahre war er ehrenamtlich aktiv. Für »sein« Vilbel tat er das gerne.
Jede Woche Sitzungen
Das brachte natürlich auch für das Leben der Eheleute Einschränkungen mit sich. »Dreimal die Woche waren damals abends Sitzungen«, erinnert sich Lehr. Oft kam er erst sehr spät nach Hause. »Oft saßen wir dann um 23 Uhr hier am Tisch und aßen gemeinsam zu Abend«, erinnert sich Inge Lehr. Denn gemeinsam etwas zu tun, das war für Beide immer wichtig. »Natürlich war das ärgerlich, doch es war eben so, wir haben uns damit arrangiert.«
Und langweilig wurde es im Hause Lehr ohnehin nie. Immer gab es etwas zu tun und zu organisieren. »Eines meiner wichtigsten Projekte damals war die Alte Mühle«, sagt Helmut Lehr heute. »Damals sollte sie abgerissen werden, um Wohnhäuser zu bauen. Klaus Minkel kam auf mich zu und bat mich, da ich gute Kontakte in den Landtag hatte, mich dort für Mittel einzusetzen, damit die Stadt das Gebäude kaufen konnte.« Lehr schaffte es. So konnte das alte Gebäude renoviert und ausgebaut werden. Jahrzehnte später wurde ihm dort das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Doch einen der größten Erfolge hatten die Lehrs gemeinsam. Als in den 90er Jahren in Russland Hunger herrschte, sammelten die beiden Lebensmittel und Kleidung in Bad Vilbel und ließen die Hilfsgüter in den Ural bringen. »Ganze Wagenladungen hatten wir bei uns im Keller«, erinnert sich Inge Lehr. »Manchmal war es so viel, dass wir im Keller der Stadtwerke Platz besorgen mussten.«
Nur gemeinsam
Doch gemeinsam, da waren sich die beiden immer sicher, lassen sich auch schwierige Zeiten überstehen. »Wir hatten immer Vertrauen zueinander«, sagt Helmut Lehr. »Uns war immer klar, dass das Ehrenamt nicht alleine geht, sondern nur gemeinsam machbar ist.«