Bad Vilbel. Kleingärten liegen wieder im Trend. Die Wartezeiten für eine Parzelle des Bad Vilbeler Kleingärtnervereins sind lang. Warum? Das weiß kaum jemand besser als Claus-Peter Rüdiger. Der Rentner kümmert sich seit Jahrzehnten liebevoll um sein grünes Kleinod.
Mit der Schaufel drückt Claus-Peter Rüdiger das Gestrüpp zur Seite. Ein kleines Loch kommt im Beet zum Vorschein. »Das haben die Wühlmäuse hinterlassen«, sagt der 77-Jährige. »Die sind dieses Jahr ein Problem.« Von unten haben die Nager an seinen Kartoffeln gezogen und schwupps, waren die Knollen samt Auswüchsen im Boden verschwunden.
Dagegen könne man kaum etwas machen, ohne auch die Maulwürfe zu treffen, erzählt Rüdiger mit wehleidigem Lächeln. Die meisten Lücken hat er wieder zugeschüttet. Jetzt hofft er, dass bis zur Ernte nichts mehr schiefgeht. Es wäre schade um die Früchte seiner Arbeit, die er so mühsam hochgezogen hat. Aber andererseits: Nach beinahe 40 Jahren als Kleingärtner ist man irgendwann abgehärtet.
Seit 1980 gehört dem Vilbeler eine von 20 Parzellen am Lindenweg, gleich an den Streuobstwiesen. Wer durch das eiserne Tor und unter dem ersten Rosenbogen hindurchgeht, steht in dem Idyll, das der ehemalige Fernsprechtechniker mit seiner Frau hegt und pflegt. Sie kümmert sich um die Blumen, er sich ums Grobe. Gemeinsam haben sie Bohnen, Zucchini, Paprika und Kürbisse angebaut. Einen alten Pfirsichbaum gibt es auch. Und natürlich die Kartoffeln.
Jahrespacht ab 100 E
»Wir züchten alles für den Eigenverbrauch«, sagt der Kernstädter, der nur einige Hundert Schritte entfernt wohnt. Zwei erwachsene Töchter haben Rüdigers, die seit mehr als 50 Jahren verheiratet sind. Die zwei Enkelinnen haben früher schon gern in Opas Schrebergarten getobt. Noch heute wird regelmäßig zusammen gegrillt.
Claus-Peter Rüdiger mag all das, wofür die Kleingärtnerei steht: Vogelzwitschern am Morgen, die Ruhe auf den Anlagen, die Nähe zur Natur, den eigenen Anbau wachsen zu sehen. Sein Hobby hat den Ruf der Spießigkeit vielerorts abgeschüttelt. Schrebergärten liegen im Trend. Die Warteliste für eine Parzelle des Bad Vilbeler Kleingärtnervereins sei lang, berichtet Rüdiger, der bis vor Kurzem noch dessen zweiter Vorsitzender war.
Sein Gelände am Lindenweg ist das einzige, das etwas außerhalb der Stadt liegt. Der Großteil der 184 Parzellen des Vereins findet sich am Hainwinkel gegenüber des Ritterweihers. Keine einzige steht leer. 35 Cent pro Quadratmeter kostet die Pacht pro Jahr, im Schnitt kommen so etwas mehr als 100 Euro zusammen. Hinzukommen die Kosten für Wasser und Strom.
Ein gutes Dutzend Parzellen wechselt laut Rüdiger pro Jahr den Besitzer. Den alteingesessenen Kleingärtnern falle es oft schwer, ihre grünen Oasen aufzugeben, in die sie teils jahrzehntelang ihr Herzblut gesteckt haben. »Ein Kleingarten bedeutet Arbeit«, betont Rüdiger. »Es gibt immer was zu tun.« Fit halte es ihn, aber er achte darauf, die Arbeit »altersgerecht« zu gestalten. Es solle ja nicht in Stress ausarten. »Ich hoffe, ich schaffe rechtzeitig den Absprung«, sagt er grinsend.
Bei der neuen Generation Hobbygärtner hat er beobachtet, dass die Bereitschaft, sich im Verein einzubringen, schwinde. Das nagt an ihm. »Die Kameradschaft war schon besser«, sagt er. Den Vorstand zu besetzen, sei nicht mehr so leicht wie einst. Und wo früher Freiwillige Reparaturen am Vereinsgelände gemeinsam stemmten, müssten die Ehrenamtler heute immer öfter Handwerksfirmen rufen.
Einen schleichenden Paradigmenwechsel sieht der Mann auch in der Gartennutzung. Die Jungen feierten häufiger, manchmal auch lautstärker, als man es auf den Anlagen gewohnt sei. Rasen und Hütte herausputzen? Zweitrangig. »Aber mit einmal in der Woche grillen ist es nicht getan«, mahnt der 77-Jährige. Zwei Mal im Jahr kontrolliert der Vorstand bei einem Rundgang, ob die Gärten ordentlich aussehen und der Satzung entsprechen.
Der Senior selbst steht jeden zweiten Tag in seinem Beet. Nur wenn es kalt und frostig wird, tritt er kürzer. Ein neues Vorstandsamt hat er auch übernommen: Seit Mai ist Claus-Peter Rüdiger Umweltbeauftragter. Seine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass in den Schrebergärten keine Pestizide versprüht werden. »Außerdem achte ich darauf, dass kein Dünger verwendet wird, durch den Nitrate in den Boden kommen«, erklärt er. »Hier ist ein Wasserschutzgebiet.« Von Alexander Gottschalk