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Jugend stärker einbinden

Marion Gnadl (links) nimmt seit 36 Jahren mit Unterbrechung französische Gäste auf. Am Himmelfahrtswochenende hat sie die Französin Marie-Louise Giacri bei sich aufgenommen. Die beiden kennen sich schon länger über eine Wander- und Laufgruppe. Foto: Lori
Marion Gnadl (links) nimmt seit 36 Jahren mit Unterbrechung französische Gäste auf. Am Himmelfahrtswochenende hat sie die Französin Marie-Louise Giacri bei sich aufgenommen. Die beiden kennen sich schon länger über eine Wander- und Laufgruppe. Foto: Lori

Karben. Bei der Europawahl haben viele Franzosen europakritisch gewählt. Sie suchen mehr denn je Rückhalt im Nationalstaat. Auch die Flüchtlingskrise stärkte die Skepsis gegenüber Europa. Die deutsch-französische Verbindung zwischen Karben und Saint Égréve besteht seit 45 Jahren. Auf die freundschaftliche Verbindung der Kommunen hat die Europakrise keinen Einfluss, die Struktur der Freundschaft hat sich dennoch verändert.
Muriel Menzel denkt kurz nach. Sie ist seit sechs Jahren Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaften der Stadt Karben. »Ja, die Partnerschaft zwischen den Vereinen war zu Beginn intensiver«. Heute seien viele Kontakte eingeschlafen, beispielsweise bei der Feuerwehr. Während das Feuerwehrwesen in Deutschland in Freiwilligen Feuerwehren organisiert ist, gebe es in Frankreich ausschließlich Berufsfeuerwehren. Zudem habe es einen Wechsel in vielen Vorständen der Vereine gegeben.
Die vor Jahrzehnten gefestigten Freundschaften machten heute die Partnerschaft aus. Nur eine Person der 30-köpfigen Delegation aus Saint Égréve sei dieses Jahr erstmalig nach Karben gereist. 2018 reisten noch 43 französische Gäste an. »Wir sind vor vier Jahren mit über 60 Personen nach Frankreich gefahren«, sagt Menzel. Der deutsche Besuch stehe 2020 an, doch da die Stadt Karben dann ihr 50-jähriges Bestehen feiere, werden erneut französische Gäste erwartet.
Eine unbeschwerte Zeit erlebten Gastgeber und Gäste am Freitag in Erbach. Eine Führung durch die Glücksfabrik Koziol stand ebenso auf dem Programm wie eine zweistündige Stadtführung mit Besichtigung des Elfenbeinmuseums.
MUSIKER TREFFEN SICH
Am Samstag flanierten viele durch die neue Altstadt in Frankfurt. Saint Égréves Bürgermeister Daniel Boisset freut sich bereits auf die »Fete de la Musique« in zwei Wochen in seiner Heimatstadt. »Französische und deutsche Schüler bereiten ein gemeinsames Programm vor. Stevie Wonder steht im Mittelpunkt«, sagt er. Die Spannungen in Europa seien für den Austausch belanglos. Laut Boisset wird die »europäische Praxis« in Form von Freundschaft und Austausch gelebt. Er selbst ist seit 15 Jahren im deutsch-französischen Austausch involviert und seit 2017 Bürgermeister der Kommune, die nordwestlich von Grenoble am Fuß des Chartreuse-Massivs liegt.
Daniel Boisset spricht sich für eine größere Beteiligung von Jugendlichen am Austausch aus. Dies könne in Form von Jugendcamps, auf beruflicher Ebene und über Sportveranstaltungen geschehen.
Eine erfahrene Gastgeberin ist Marion Gnadl. Die 54-Jährige, die in Karben aufgewachsen ist und in Frankfurt lebt, nimmt seit 36 Jahren mit Unterbrechung französische Gäste auf. Ihre Fremdsprachenkenntnisse in Englisch und Französisch nutzt sie auch als Beamtin im sozialen Bereich. »Ich habe französische Vorfahren und eine Vorliebe für Frankreich«, sagt sie. Ihr Gast ist die Französin Marie-Louise Giacri. »Die deutsche Gastfreundschaft schätze ich am meisten«, sagt die 67-Jährige. Über eine Wander- und Läufergruppe haben sich die Frauen bereits in der Vergangenheit angenähert. Auch Giacri plädiert für einen verstärkten Jugendaustausch. »Zu Beginn haben wir an der Verschwisterung der beiden Völker gearbeitet. Heute wird diese Notwendigkeit nicht mehr so gesehen. Die aktuellen Träger der Verschwisterung sind die Kinder von einst«, sagt Marie-Louise Giacri.
ERNEUERUNG IST NÖTIG
Für die Weiterentwicklung seien die politischen Entwicklungen ausschlaggebend. Giacri erhebt den Vorwurf, dass sich die verschiedenen europäischen Länder zu stark kritisierten, anstatt ihre Vorzüge hervorzuheben und mehr Toleranz und Akzeptanz zu leben. Europa sieht sie als eine nicht greifbare Idee. Es bleibe abzuwarten, ob diese sich auf Dauer realisieren lasse.
Der Karbener SPD-Stadtrat Michael Schmidt, Dezernent für Städtepartnerschaften, sagte: »Eine Erneuerung der Europäischen Union muss kommen. Das fordert der französische Präsident seit Längerem.«
Ein perfektes Europa werde es nie geben. Im Sinne der Menschenrechte müsse es weiter einen Weg geben, dass die Grenzen geöffnet würden.
Jean Lemans, Präsident des Verschwisterungsvereins »Comité de Jumelage« reiste erstmals nach Karben. Sein Urteil: »Die Gastfreundschaft hat mir sehr gefallen.«