Allerseelen, Buß- und Bettag, Toten- oder Ewigkeitssonntag. Ich liebe diese Fest- und Feiertage, die in Deutschland meistens keine mehr sind. Für viele bleiben sie wichtig, weil sie etwas in den Blick rücken, das wir meistens nicht sehen oder nicht sehen wollen – den Tod.
An diesen stillen Tagen im November, wenn es draußen nasskalt wird und wir langsam beginnen, Abschied zu nehmen von einem weiteren Jahr, wird der Tod zum Thema, werden die Verstorbenen auf dem Friedhof besucht, wird ihrer in Gottesdiensten gedacht, setzen wir uns auch mit der eigenen Endlichkeit auseinander.
Gut, dass es solche Tage und Zeiten noch gibt in unserem Leben, unserer Gesellschaft. Zeiten, in denen ich innehalten kann, weil alle innehalten, und ich keine Angst haben muss, etwas zu verpassen. Zeiten, in denen wir als Gesellschaft gemeinsam zur Ruhe kommen zwischen dem blühenden Leben und der Vorfreude auf Weihnachten. Zeiten, in denen wir uns auch eingestehen dürfen, dass im Leben nicht immer alles gelingt, dass Scheitern dazu gehört.
Ich genieße diesen Blick über die Ränder des Lebens hinaus, weil ich darauf vertraue, dass dort im Dunkel einer ist, der alles und auch mich in seinen Händen hält, der sich spüren lässt im Hier und Jetzt und auch nach dem Ende von allem. Den Tod in diesen Novembertagen in den Blick zu nehmen heißt, ihm auf dem Nährboden dieses Vertrauens ins Angesicht lachen zu können, weil er seinen Schrecken verliert. Angst kann der Tod nur dem machen, der ihn für das Letzte hält. Wie gut, wenn man glauben kann: Er ist nur das Vorletzte; am Ende ist das einer, der sagt: „Siehe, ich mache alles neu!“ – so wird es von Gott erzählt im letzten Buch der Bibel.
Wenn sie den Tod im Blick haben, steht Christinnen und Christen zugleich die Auferstehung als seine Überwindung vor Augen. Der Theologe Ernst Lange formuliert, „was die Christen mit dem geheimnisvollen Wort Auferstehung meinen: …dass der Tod kein Argument gegen das Leben ist. Kein Argument gegen den Glauben an den Sinn eines jeden Menschenlebens. Kein Argument gegen die Liebe als die Energie des Lebendigmachens allen Lebens. Kein Argument gegen die Hoffnung auf die Vollendung der Welt… Man stirbt nicht weg von Gott. Man stirbt in Gott hinein, so unbegreiflich das ist und bleibt.“
Das Ende des alten Kirchenjahres geht über in den Beginn des neuen am 1. Advent. Dann wird inmitten der dunklen Tage schon langsam das Lichtlein sichtbar, das unser Leben und unsere Welt erhellen will und wird. Es strahlt dort besonders hell, wo ich es mir gegönnt habe, an den novemberlichen Fest- und Feiertagen innezuhalten – den Tod in den Blick zu nehmen und mich dem Dunkel auszusetzen. Allerseelen, Buß- und Bettag, Toten- und Ewigkeitssonntag, wie schön, dass es sie gibt!
Pfarrer Ingo Schütz
Ev. Christuskirche Bad Vilbel