Im Menschen steckt der Impuls selbständig zu sein und im Laufe des Lebens immer weniger auf die Hilfe der Eltern und großen Geschwister, der Erzieherinnen und Lehrer angewiesen zu sein.
18- bis 25-Jährige erleben erste Aufbrüche der Volljährigkeit und haben oft die Vorstellung, alles Gewollte erreichen zu können. Doch die Grenzen sind bald zu spüren. Berufliche Misserfolge müssen verkraftet werden. Auch viele junge Erwachsene werden arbeitslos, werden ihre Arbeit los.
Oder wenn die jungen Erwachsenen eine Lebensgemeinschaft gründen, spüren sie, dass es nun gilt, gute Kompromisse zu finden und sich zusammen zu raufen. Wenn dann sogar ein eigenes Kind geboren wird, ändert sich die Blickrichtung. Sie erleben schlaflose Nächte, in denen das Kind schreit und die Eltern nicht zur Ruhe kommen lässt. Oder Windpocken brechen gerade in dem Moment aus, wenn man in den Urlaub fahren will. Von wegen frei!
Wenn die Kinder wüssten, wie hilflos wir Erwachsenen manchmal sind: Da wissen wir nicht weiter und wissen uns keinen Rat mehr, auch wenn wir das den Kindern nicht zeigen.
Aber wohin mit unserer Hilflosigkeit? Wohin mit unserer Sehnsucht, dass es mit uns und dieser Welt gut wird?
Im 1. Johannesbrief (Kapitel 3, Vers 1) heißt es: „Seht, welch eine Liebe hat uns Gott, der Vater, erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“
Mit diesem Satz werden wir eingeladen: Sieh hin. Du bist und bleibst ein Kind Gottes. Aus dieser Kindschaft fallen wir nicht hinaus, auch wenn einige Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche ganz schreckliche Erfahrungen mit ihrem leiblichen Vater machen oder gemacht haben.
Das Bild, Kinder Gottes zu sein, verweist uns auf eine ideale (aber nicht stressfreie) Eltern-Kind-Beziehung: Gott ist wie ein gütiges, annehmendes Elternteil, ist wie eine Mutter, die ihr Kind in den Arm nimmt und tröstet, wie ein Vater, der sein Kind beim Rutschen auffängt und es vor dem Sturz bewahrt.
Zu einer Eltern-Kind-Beziehung gehört immer auch, sich aufeinander einzulassen, einander zuzuhören, miteinander zu streiten, Kompromisse zu finden und aneinander festzuhalten.
„Wir heißen Gottes Kinder“ – so ist unser Name, unsere Benennung, „und wir sind es auch.“ Darin liegt die Verheißung, dass wir die Gotteskindschaft in uns tragen, egal, wie wir in manchen Momenten zu Gott stehen, auch wenn wir uns über Gott ärgern, wütend oder enttäuscht sind.
Wir sind und bleiben Gottes Kinder – und Gott bleibt für uns der liebende Vater, die annehmende Mutter. An Gott können wir uns wenden mit unserer Freude und unserem Dank, mit Klagen und Bitten, mit allen Gefühlen, die wir in uns tragen. Gott hört uns. Aber wir müssen auch mit Gottes Einspruch rechnen, denn die Kommentare von Eltern sind ja weithin bekannt – und oft genug gehen sie Kindern und Jugendlichen auf die Nerven, besonders dann, wenn die Eltern recht haben, die Jüngeren sich das aber nicht eingestehen wollen.
Pfarrerin Dr. Irene Dannemann, Ev. Heilig-Geist-Gemeinde
Bad Vilbel – Heilsberg