Ruhig geworden ist es um die Situation der Flüchtlinge in Karben. Zufrieden damit sind besonders die ehrenamtlichen Helfer in der Stadt. Im Jahr Vier ihrer Tätigkeit ziehen sie eine positive Bilanz – und haben ein fernes Ziel: dass der Job der Flüchtlingshelfer überflüssig wird.
Karben. Der große Ansturm ist vorüber. Die Arbeit der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in Karben aber geht weiter, unentwegt, und sie wird auch nicht weniger. „Sie verändert sich eher“, sagt Ulrike Loos. Zusammen mit vier Mitstreitern zieht die engagierte Karbenerin nach rund vier Jahren Arbeit der Flüchtlingshilfe Bilanz – und die fällt positiv aus.
230 Flüchtlinge leben derzeit in den fünf Karbener Unterkünften, so viele wie schon im Jahr zuvor. Dass die Flüchtlingszahlen zurückgehen, merken die Helfer nicht. Denn die Unterkünfte werden neu besetzt, wenn anerkannte Asylbewerber ausziehen können.
Was die Helfer aber merken: Ihre Arbeit wird zusehends erleichtert, weil staatliche Stellen nach und nach Arbeit übernehmen, Strukturen aufbauen. So werde im Wetteraukreis vieles zentral organisiert wie die Teilnahme an Sprachkursen. „Hätte es das von Anfang an gegeben, wäre unsere Arbeit viel einfacher gewesen“, findet Jürgen Werner. Er ist „aber immer noch überzeugt, dass wir es geschafft haben“ – in Anspielung auf den vieldiskutierten Angela-Merkel-Satz. Zudem laufen laut Loos die anfangs „aus der Not geborenen“, ehrenamtlich gestemmten Sprachkurse nun unter der Ägide von Volkshochschule, Internationalem Bund oder dem Verein „Frauen–Arbeit–Bildung“.
Verstärkt werden professionelle Lehrer eingesetzt, was die Angebote für die Flüchtlinge qualitativ hochwertiger macht. Das sei elementar fürs berufliche Vorankommen. Eines der zentralen Ziele der Karbener Helfer ist, Flüchtlinge schnell in Beschäftigung zu bringen. 39 der Betreuten arbeiteten aktuell, zehn seien in Ausbildung, erklärt Werner.
In Bäckerei und Gärtnerei, in der Landwirtschaft, bei einem Malerbetrieb sind Flüchtlinge angestellt, inzwischen aber auch schon als Elektroniker oder Augenoptiker. Die Ansprüche der Firmen seien hoch, hervorragende Deutschkenntnisse notwendig, betont Werner. „Die Berufsschule ist die große Hürde, da müssen sie mitkommen.“ Mit Schnupperarbeiten und Praktika, vermittelt von den Helfern, fänden viele erfolgreich den Einstieg.
Noch immer dauere es zu lange, bis die Ausländerbehörden Beschäftigungen genehmige. Extremfälle wie die einer Karbener Gärtnerei, die einen ganzen Sommer lang auf ein Okay wartete, bis sie einen Flüchtling beschäftigen durfte, gebe es nicht mehr, sagt Werner.
Steuern zahlen
Dass die Flüchtlinge bald arbeiten, ist nicht nur Selbstzweck: „Sie stehen auf eigenen Beinen und zahlen Steuern, kosten nichts mehr“, betont der Banker im Ruhestand. „Wir wollen, dass die Flüchtlinge nicht zu dauerhaften Hartz-IV-Empfängern werden.“
Besonders stolz ist Ulrike Loos, dass die Karbener Flüchtlingshelfer beispielgebend für die berufliche Integration der Geflüchteten sind. Ihr Projekt „Orientieren-Qualifizieren–Integrieren“ wird schon andernorts kopiert. Dabei können Flüchtlinge in Werkstätten des Karbener Berufsbildungswerks Berufe ausprobieren, ein Praktikum in einem Betrieb absolvieren und dann in eine Ausbildung übernommen werden. „Das Programm ist so flügge geworden, dass es die Flüchtlingshelfer nicht mehr braucht“, sagt Ulrike Loos. Sie wirkt sichtlich stolz.
Kümmerten sich anfangs sechs, sieben Freiwillige um 20 Flüchtlinge, waren es in Spitzenzeiten 60 Helfer für 230 Geflüchtete. Inzwischen aber ist die Helferzahl wieder auf rund 35 geschrumpft. Deshalb fordert Elke Stelz die Karbener auf, sich zu engagieren. „Selbst wenn jemand nur eine Stunde in der Woche Zeit hat: Wir finden eine passende Aufgabe.“
So kümmern sich Helfer als Paten um Einzelpersonen, Familien, Bewohner eines Zimmers oder sogar eine der sechs Unterkünfte. Sie erklären kulturelle Unterschiede, helfen beim Einkaufen, beim Ausfüllen von Formularen, Behördengängen oder Arztbesuchen.
Helfer gesucht
„Die kulturellen Unterschiede sind ja oft sehr groß“, erinnert Werner Giesler, Pfarrer der evangelischen St.-Michaelis-Gemeinde. Er bezeichnet sich als „Verwaltungshengst“ der Flüchtlingshelfer. Im Kirchenbüro laufen alle Fäden zusammen – auch jene organisatorischen, für die die lose Initiative Strukturen braucht, wie das Bearbeiten von Spenden.
Ein wenig mache es ihm Angst, dass diese Arbeit wohl noch viele Jahre weitergehe, räumt Giesler ein. Die Stadt zahle per Zuschüsse die meisten Kosten. Letztlich seien die Flüchtlingshelfer über diese Konstruktion erheblich flexibler, als wenn sie der Stadtverwaltung angegliedert wären.
Wer als Helfer mitmachen wolle, solle „Einfühlungsvermögen und viel Geduld“ mitbringen, bittet Jürgen Werner. „Humor, Empathie und Verständnis“ seien ebenso wichtig, so Elke Stelz. Klar sei, dass die Betreuung der Flüchtlinge noch lange dauere, weiß Ulrike Loos: „Integration ist eine Lebensaufgabe.“ (den)
Wer als ehrenamtlicher Pate mitmachen will bei der Karbener Flüchtlingshilfe, kann Kontakt aufnehmen zu Koordinatorin Sabine Reich, Telefon (0172) 6663295, E-Mail an sabine.reich1973@gmail.com.
Die Flüchtlingshilfe Karben bittet um Spenden auf das Konto IBAN DE29 5206 0410 0004 1002 55, Evangelische Regionalverwaltung Wetterau, für die evangelische Kirchengemeinde Klein-Karben, Kennwort Flüchtlinge. (den)