Nach dem Tod ihres schwerbehinderten Sohns haben Katrin und Jörg Eigendorf beschlossen, anderen Familien zu helfen. Mit ihrem Verein „Philip Julius“ leiten sie Betroffene durch den Versorgungs-Dschungel.
Bad Vilbel. Die Diagnose „schwerstbehindert“ verändert das Leben mit einem Schlag. Zwischen Untersuchungen, Diagnosen und erschöpfenden Klinikaufenthalten müssen sich Betroffene und ihre Familien mit Ängsten auseinandersetzen und den Alltag neu organisieren. Katrin und Jörg Eigendorf mussten das am eigenen Leib erfahren: Ihr Sohn Philip Julius war schwerstbehindert. Er ist 2013 im Alter von 17 Jahren gestorben. Für das Ehepaar war das Motivation, einen Verein zu gründen, um anderen Familien zu helfen.
„Problem einer geeigneten Pflegeeinrichtung nach der Schulzeit für Philip konnte die Familie bis zu dessen Tod nicht lösen“, erklärt Nadine Bauer die Hintergründe. Fast vier Jahre seien die Eigendorfs kreuz und quer durch Deutschland gefahren, um nach einer geeigneten Einrichtung zu suchen.
Nadine Bauer ist Geschäftsführerin des Vereins „Philip Julius“, den die Eigendorfs im Frühjahr 2013 gegründet haben. Er ist als gemeinnützig anerkannt, die Arbeit wird aus Spenden finanziert. Mit Sitz in Oberursel und einer Geschäftsstelle in Bad Vilbel leistet der Verein mit seinen Projekten seither einen Beitrag, die Lebenssituation Betroffener in der Region zu verbessern.
Etwa bei der Suche nach einer Pflegeeinrichtung. Laut Bauer gibt es keine zentrale Stelle, keine Datenbank, die über Informationen verfügt. „In Deutschland gibt es rund 300 Einrichtungen, die jedoch zumeist nur Kurzzeitpflege anbieten, stationär sind es sogar nur fünf Einrichtungen“, sagt Bauer. Oft seien nächtelange Recherchen und permanente Besichtigungen der Einrichtungen vor Ort mit Wochenendaufenthalten notwendig.
Hinzu käme die Rund-um-die-Uhr-Pflege des Kindes, die die Eltern körperlich und emotional erschöpften. Familie und Beruf müssten in Einklang gebracht, die Geschwisterkinder versorgt werden. Rund 70 Prozent der Ehen scheiterten an dieser Dauerbelastung. „Die finanzielle Situation der Familie ist zumeist angespannt, da häufig ein Elternteil durch die Pflege des Kindes nicht mehr arbeiten gehen kann“, sagt Bauer. Auf der anderen Seite entstünden zusätzliche Kosten durch die besondere Lebenssituation, wie für einen behindertengerechten Umbau der Wohnung oder des Hauses, der von den Sozialträgern nicht übernommen werde.
„Was betroffene Eltern am dringendsten brauchen, sind Unterstützung und Informationen, möglichst aus einer Hand“, sagt Bauer. 26 Anfragen mit konkreten Fällen hätten sie im vergangenen Monat erreicht. Der Verein schaffe mit seinen Angeboten Freiräume und unterstütze die Familien bei der Bewältigung ihres Alltags.
Auf der Website des Vereins werden relevante Themen aufbereitet und über Unterstützungsleistungen informiert. So betreibt der Verein auch den „Junge Pflege Monitor“, eine webbasierte Suchanwendung für Pflegeeinrichtungen für schwerbehinderte junge Menschen.
Viele traurige Fälle, wie der von Nils, machen vielfältige Angebote notwendig. Der heute zehnjährige Junge fiel als Zweijähriger in einen Gartenteich und liegt seit acht Jahren im Wachkoma. Er reagiert auf wenig, aber auf den Klang eines Boxermotors. Auf Einladung von Porsche Deutschland darf Nils mit seiner Familie nun ein Rennteam auf dem Hockenheim-Ring begleiten.
Ein Impuls, der ausschlaggebend für das Vereinsprojekt „Wünsch dir was!“ gewesen sei, für das sich Familien ab Oktober anmelden können, sagt Bauer. „Das Projekt soll Glück für Menschen schaffen, die selbst nicht für ihr Glück sorgen können.“