In diesen Wochen wird das Erntedankfest gefeiert. Einige Gottesdienste finden im Freien statt, bei anderen hat man den Eindruck, dass der halbe Garten und Acker in die Kirche hineingetragen wurde. Da werden Altäre mit Obst und Gemüse geschmückt. Es gibt Stroh und Ähren, riesige Kürbisse, selbst gemachte Marmelade oder reife Äpfel.
Wenn dann noch spätsommerliches Wetter herrscht und viele zusammengekommen sind, fällt es mir sehr leicht, Gott aus ganzem Herzen zu danken. Erntedank ist für mich ein richtiges „Gute-Laune-Fest“. Es drückt für mich aus, dass wir unser Leben und das, was wir zum Leben brauchen, Gott verdanken. Ich freue mich daran. Das ist die eine Seite.
Auf der anderen Seite muss ich aber kaum noch etwas ernten. Wenn die Tomaten im Garten nichts tragen, kann ich sie im Supermarkt kaufen. Getreide habe ich noch nie geerntet und von der mageren „Kartoffelernte“ muss ich nicht leben. Die „Lebensmittelindustrie“ versorgt uns mit allen und meistens zu allen Zeiten. Allerdings weiß ich ja auch, zu welchem Preis. Ich weiß, dass sich hinter einem harmlosen Begriff wie „Fleischproduktion“ Massentierhaltung verbirgt. Ich weiß um die katastrophalen Folgen unseres Lebensstiles und schaffe es trotzdem oft nicht, daran etwas zu ändern. Dann bleibe ich beim „Man müsste mal“ stecken und bei einem schlechten Gewissen.
Ich finde die Freude, die vom Erntedankfest ausgeht, den viel besseren Weg, um an sich etwas zu ändern. Wenn mir etwas wertvoll ist, gehe ich sorgsam damit um. Wenn ich etwas schön finde, bewahre ich es. Für mich ist die Freude und Dankbarkeit über Gottes Schöpfung die beste Motivation, genauso sorgsam mit ihr umzugehen, wie Gott das von uns erwartet.
Die Bibel beschreibt in ihrem zweiten Schöpfungsbericht die Welt als paradiesischen Garten. Es ist eine wirklich liebevolle Beschreibung. Erntedank drückt für mich diese Haltung aus. Ich finde es schön, das zu feiern und absolut notwendig entsprechend zu leben.
Pfarrerin Ulrike Mey, Ev. Christuskirchengemeinde Bad Vilbel