April Hailer ist die prominente Besetzung für die Stummfilmdiva Norma Desmond in der Burgfestspiel-Inszenierung des Musicals „Sunset Boulevard“. Sie verrät, was sie hinter dem Mythos Star entdeckt und warum die Burgbühne ihr besser gefällt, als Londoner Musicalhäuser.
Bad Vilbel. Die Geschichte ist legendär, seit Billy Wilder sie 1950 mit Gloria Swanson verfilmte und Andrew Lloyd Webber sie 1993 in ein Musical verwandelte. Norma Desmond ist eine Ikone des Stummfilms, aber der hat in Hollywood ausgedient. Sie verschanzt sich mit ihrem Butler Max in ihrer Villa, einem Mausoleum vergangenen Glanzes. Bis sich eines Tages der Drehbuchautor Joe zu ihr verirrt und ein Comeback einfädeln will.
Große Fallhöhe
Die Story wird zwar als Rückblende des gerade ermordeten Joe erzählt, aber eigentlich, so Burgfestspiel-Intendant Claus-Günther Kunzmann, müsse das Stück „Sunset Boulevard – Norma Desmond“ heißen, „auch wegen der unwahrscheinlichen Fallhöhe, die da drinsteckt“. Norma ist eine Figur, die aus der Zeit fällt und für ihn gerade deshalb so aktuell ist. Auch heute gebe es Menschen, die der technische Fortschritt aus der Bahn wirft, die das verdrängen.
Geprobt wird für das Stück Anfang Mai, Noch wird am Bühnenbild gebaut, die Besetzung aber steht. Anlass genug, die prominente Hauptrolle vorzustellen. April Hailer wird Norma Desmonds Seelenleben auf der Bühne ausloten. Die in Köln lebende „singende Schauspielerin“ (Mezzosopran) hat nicht nur Freilichttheater-Erfahrung in Bad Hersfeld, Wunsiedel und Schwäbisch Hall gesammelt und hatte eine ZDF-Show unter ihrem Namen. Sie gibt vor allem auch ihre Erfahrung weiter: in der Jury beim Bundeswettbewerb Gesang im Fach Musical/Chanson oder als Schauspiel-Dozentin an der Münchner August-Everding-Akademie.
„Ich komme aus einer musikalischen, freigeistigen Familie“, erzählt sie. Der Vater war Kirchenmusiker, sie spielte seit 25 Jahren Oboe. Aber auch andere Dinge bewegen sie, Sterbebegleitung etwa. Auf Südtiroler Bauernhöfen ist sie eingesprungen, um bei Krankheitsfällen auszuhelfen: „Das ist kein Idyll.“
Nach Bad Vilbel gekommen sei sie „wegen der künstlerischen Aufgabe“, sagt Hailer. Die Burgfestspiele seien „in der Branche bekannt“. Dass die Bühne dort sehr viel kompakter ist als etwa ein Londoner Musicaltheater, sei für ihre Figur fantastisch, erlaube es, sehr differenziert zu sein. Den Zugang zu dem Star findet sie nicht über Äußerlichkeiten, Ornamente oder Attitüden, sondern über den Zeitgeist.
Freche It-Girls
So seien die „It-Girls“ der 1920er- und 1930er-Jahre „frech, dünn, vital und verrückt“ gewesen, und auch Norma müsse dieses Charisma, diese Sensitivität gehabt haben. Dazu komme das „Drama einer alten Dame, die ihren Platz im Jetzt nicht mehr sieht“, erläutert die 58-Jährige die Rolle, vor der sie großen Respekt habe.
Noch steht die Inszenierung nicht, doch Kunzmann verrät soviel, dass es auf der Bühne keine Videoinstallation gebe, wie sie in anderen Aufführungen etwa mit Verfolgungsjagden zu sehen sei. Das seien bloß Äußerlichkeiten. Kunzmann verrät einen weiteren Grund, warum er sich auf den Sunset Boulevard freut. Die Burgfestspiele haben die Lizenz der Webber-Inszenierung erwerben können. Das sei keine Selbstverständlichkeit. Während Aufführungen von bekannten Musicals problemlos in der Provinz gebucht werden können, verweigern die Rechte-Inhaber bei rund einem Drittel der Anfragen aus Bad Vilbel die Zusage. Dadurch sollen Großveranstaltungen in Frankfurt, der Alten Oper und der Jahrhunderthalle, Konkurrenz erspart werden. Zuletzt habe er das Musical Cats vergeblich angefragt, bedauert Kunzmann.