„Der Baumeister war Gott.“ So viel konnte ich von der Schrift an dem alten Fachwerkhaus noch entziffern. Es war ein Hausspruch, wie ihn viele alte Fachwerkhäuser tragen: Bibelsprüche, Segenswünsche manchmal auch Gereimtes. Haussprüche gibt es seit dem frühen Mittelalter, zuerst an Kirchen und öffentlichen Gebäuden, später auch an privaten Häusern. Sie waren zur Zierde gedacht oder es schwang Hoffnung mit, Unglück abzuwenden. Manche sind auch ein persönliches Bekenntnis des Hausbesitzers.
Die Inschrift, die mir aufgefallen war, stand an einer Hofreite aus dem 18. Jahrhundert. Aber warum wird hier als Bauherr Gott genannt? Das Gebäude war sicher nicht durch ein Wunder über Nacht entstanden, sondern musste mühsam erbaut werden und zwar von Menschenhand. Man stelle sich die Mühe damals vor, ein Haus ganz ohne Maschinen zu bauen und Steine oder Balken in die Höhe zu heben (dieses Haus war dreistöckig). Gefährlich war es außerdem. Aber am Ende schreibt dieser Bauherr nicht stolz seinen Namen an das Haus, sondern „der Baumeister war Gott“.
Für mich drückt es eine tiefe Überzeugung aus, dass wir Menschen nicht alles können, sondern letztlich auf Gott angewiesen sind. Wir können und müssen planen und an vielem arbeiten, aber nicht jede Planung geht auf. Die Elbphilharmonie oder erst recht der Berliner Flughafen sind traurige Beispiele hierfür. Aber fast jeder, der schon einmal ein Haus hat bauen lassen, weiß wie viel schief gehen kann und oft auch schief geht.
Der Bauherr dieses alten Hauses hat sich vielleicht von vornherein in seinem Glauben, auf Gott angewiesen zu sein, an sein Bauvorhaben gemacht. Vielleicht hat er es auch schmerzlich im Zuge dessen gelernt. Die Weisheit ist übrigens uralt, biblisch sozusagen. In Psalm 127,1 steht: „Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.“ Ich glaube, dass dieser Satz nicht nur über einem Haus stehen kann. Wir verdanken unser Leben oder unsere Familien, Gesundheit oder Frieden nicht alleine uns. Das alles fordert auch unser Zutun oder unser Bemühen, aber es gibt viele Bereiche meines Lebens, bei denen ich rückblickend auch sagen kann: „Der Baumeister war Gott.“
Pfarrerin Ulrike Mey,
Evangelische Christuskirchengemeinde Bad Vilbel