Manchmal möchte man einfach von der Bildfläche verschwinden – am besten ganz schnell und ganz weit weg. Ich kenne das, wenn die Anforderungen und Erwartungshaltungen überhand nehmen und ich nicht mehr weiß, wo ich eigentlich anfangen soll. Ich glaube, Fußballnationalspielern geht das auch manchmal so, aber letztlich sicher jedem unter uns. Wir haben schöne Bilder für diese Fluchtversuche: Im Erdboden verkriechen, den Kopf (oder auch den Schwanz) einziehen, den Kopf in den Sand stecken – oder eben abtauchen.
Ich erinnere mich gut daran, wie ich in einem tollen Ägyptenurlaub das ganz wörtlich genommen habe: Nach guter Vorbereitung in der Heimat bin ich in Ägypten abgetaucht – und dann (vermeintlich!) ganz schwerelos durchs Meer geglitten. Tatsächlich geht es ja nicht nur darum, einfach von der Bildfläche zu verschwinden und wie Hape Kerkeling zu sagen „Ich bin dann mal weg“. Diese so empfundene Schwerelosigkeit beim Tauchen ist ja ein ganz starkes Bild dafür, dass alle Last abfällt, mich nichts mehr nach unten zieht, zu Boden drückt.
So müsste das Leben immer sein. Aber so ist es nicht immer. Das ist ein Stück Geschenk des Urlaubs und der Erholungszeiten im Leben. Genau deswegen sind diese Zeiten ja so wertvoll und so wichtig. Gerade als Kontrapunkt zum oft stressigen Alltag brauchen wir Zeiten und Orte, um die Seele baumeln zu lassen, zum Abtauchen eben. Aber das ist keine Flucht, sondern ein gezielter und notwendiger Gegenpunkt zum Berufsalltag. „Ich bin dann mal weg“ ist eben etwas anderes als „den Kopf in den Sand stecken“ und so tun, als gäbe es Sorgen und Nöte um mich herum nicht mehr. Sie bleiben – und sie warten sogar auf mich. Aber ich brauche und bekomme die Auszeit zum Abtauchen und Seele baumeln lassen.
Dann kann ich auch wieder auftauchen. Beim Gerätetauchen spätestens nach etwa 45 Minuten. Urlaub darf länger sein. Aber dann kann und darf die Alltagswelt wieder kommen! Ich freue mich schon auf meinen Urlaub und dabei auch wieder mal auf ein wörtliches Abtauchen im Mittelmeer vor der Küste Kroatiens.
Herzliche Grüße,
Klaus Neumeier,
Pfarrer der Ev. Christuskirche in Bad Vilbel