Tieren Leid ersparen: Das ist ein Leitmotiv im Leben von Jörg Kötter. Deshalb hat er nun einen Antrag gestellt, die Jagd auf seinem Ackerland zu verbieten. Bei der Jagdbehörde in Büdingen war man überrascht – denn von dem seit 2012 bestehenden Recht wollte bisher noch kein Wetterauer Gebrauch machen.
Karben/Büdingen. Die Obstbäume stehen in geraden Reihen, am Rande der großen Wiese bieten Büsche eine geschützte Raststätte für Wild. Genau das soll sein Grundstück auch sein: „Ein Ort, an dem Tiere keine Angst haben müssen, der Jagd zum Opfer zu fallen“, erklärt Jörg Kötter. Der Karbener hat einen Antrag auf Befriedung gestellt – als erster im Wetteraukreis. „Dass vorher niemand im Kreis auf die Idee gekommen ist, überrascht mich schon“, sagt Kötter.
Denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits am 26. Juni 2012 den Weg für die Befriedung geebnet. Der Hintergrund: Grundstücksbesitzer, die Acker- oder Waldflächen außerhalb einer Ortschaft haben, sind automatisch Mitglied einer Jagdgenossenschaft und müssen damit dulden, dass auf ihrem Land gejagt wird. 2012 wurde entschieden, dass diese Zwangsmitgliedschaft gegen die Menschenrechte verstößt, sofern der Grundeigentümer die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt.
Ein logischer Schritt
In Deutschland wurde das Bundesjagdgesetz daraufhin Ende 2013 um einen Paragrafen 6a ergänzt, der die „Befriedung von Grundflächen aus ethischen Gründen“ regelt. Grundstückbesitzer können demnach bei der Unteren Jagdbehörde einen entsprechenden Antrag stellen.
Für Kötter ist sein Antrag ein „logischer Schritt“ auf dem Weg zu einem Leben, in dem er anderen Lebewesen Leid ersparen möchte. Er lebt seit zwei Jahren vegan und ist neben seiner Selbstständigkeit als Malermeister in Burg-Gräfenrode auch als Hundetrainer aktiv. Dass er die Idee, Tiere zu schützen, auch auf seinem Grundstück am Roggauer Ortsrand umsetzen kann, darauf ist er durch Zufall im Gespräch mit anderen gekommen.
Tatsächlich ist das Thema Befriedung in der Wetterau ein neues. Mit Kötters Antrag betrete man „Neuland“, sagt Jürgen Pohlmann von der Unteren Jagdbehörde in Büdingen. So gebe es keine vorgedruckten Formulare oder eine „Musterbegründung“. Nach Paragraf 6a des Bundesjagdgesetzes ist laut Pohlmann aktuell zu prüfen, ob mit einer Befriedung in Kötters Fall „Einschränkungen“ einhergingen – etwa beim Schutz vor Wildschäden. Dazu sei möglicherweise auch eine Ortsbegehung nötig.
Kötter hofft, alle Formalia erfüllt zu haben. Denn, weil es kein Formular gibt, musste er ein eigenes Schreiben aufsetzen. Dazu hat er im Internet recherchiert und sich auf das Schreiben einer Rechtsanwältin berufen. Laut Absatz eins des Gesetzes muss darin „glaubhaft“ gemacht werden, dass die Jagd aus ethischen Gründen abgelehnt wird. „Was das wirklich heißt, weiß niemand so genau“, beobachtet Kötter. Das insgesamt fünfseitige Schreiben, das auch Gerichtsurteile unter anderem des Bundesverfassungsgerichts zitiert, hat Kötter persönlich nach Büdingen gebracht.
Kirche überzeugen
Wann oder wie der Antrag entschieden wird, ist laut Pohlmann noch nicht abzuschätzen. Eine Zustimmung würde bedeuten, dass eine Jagd auf Kötters Grundstück künftig als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet würde. „Wir informieren dann alle Beteiligten in einem Brief“, erklärt Pohlmann das weitere Vorgehen.
Für Kötter wäre ein positiver Bescheid erst der Anfang: Mit einer Größe von 2200 Quadratmetern ist sein Acker recht klein. „Die Kirche verfügt über wesentlich größere Grundstücke, die sie verpachtet“, erklärt er. „Sie könnte eine Verpachtung mit der Befriedung verknüpfen. Und gerade aus ethischen Gründen müsste der Kirche eigentlich daran gelegen sein: Schöpfung passt mit Jagd nicht zusammen“, findet Kötter.