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Vom Tragen der Lasten – Das Wort zum Sonntag

Vor Jahren begegnete ich auf einer Hütte in den Alpen einem Sherpa. Er gehörte zu dem Volk im Himalaya, das bekannt wurde durch seine Trägerdienste für Expeditionen auf die höchsten Berge der Welt. In der Monsunzeit verdiente sich dieser Mann Geld, indem er Lasten auf die Hütte trug. Manchmal sehen wir Träger auf Bahnhöfen, die beim Tragen von schwerem Gepäck behilflich sind. Und zum guten Anstand zählt es noch, einem alten Menschen eine schwere Tasche zu tragen.

Lasten können auch unsichtbar sein. Fast jeder und jede hat welche. Wie komme ich mit meinem Geld hin? Kann ich es noch mit meinem Ehepartner aushalten, der Alkoholiker ist? Bleibe ich gesundheitlich noch so fit, dass ich in meiner eigenen Wohnung bleiben kann? Bekomme ich ein gutes Zeugnis? Jeder und jede von uns trägt wahrscheinlich so ein Päckchen mit sich herum. Abnehmen kann es zwar kaum einer. Aber Mittragen, das ist oft möglich.

Das fängt damit an, dass wir Zeit füreinander aufbringen, ein offenes Ohr und Herz für den anderen haben. Wir können kleine Zeichen der Aufmunterung geben, die zeigen: Ich denke an dich. Manchmal wird es ganz praktisch. In meiner vorigen Gemeinde hatte eine Familie drei Kinder. Der Älteste war schwer behindert. Die Eltern waren sehr belastet. Einige Gemeindeglieder halfen, kümmerten sich um die beiden gesunden Kinder, damit die Eltern einmal etwas aufatmen konnten. Sie taten das, was im Wochenspruch steht: Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen (Brief des Paulus an die Galater). Und zuletzt können wir füreinander beten. Denn wir glauben, dass wir alle getragen werden von Jesus Christus. Er ist unser großer Sherpa, der die Lasten der Welt trägt.

Pfarrer Michael Solle,

Christuskirche in Bad Vilbel.