Nach Jahrzehnten kehrt Ruhe zurück in den Groß-Karbener Ortskern. Das zeigt sich genau eine Woche nach Inbetriebnahme der Karbener Nordumgehung. Viele Autofahrer haben sich schon umorientiert.
Karben. Es ist ein ganz neues Lebensgefühl für Angelika Meier (65) und ihren Mann Peter (69). Die beiden wohnen in der Bahnhofstraße in Groß-Karbens Ortsdurchfahrt – und zwar genau dort, wo diese zwischen dem Leonhardi-Schloss und dem Friedhof am engsten ist.
1961 schon zog Angelika mit ihren Eltern hierher. Bis 1989 betrieben diese im Vorderhaus die Metzgerei Helgert. 1975 bis 1978 baute Angelika mit ihrem Mann das eigene Häuschen, stockte dafür die alte Scheune auf: „Ab dem ersten Obergeschoss haben wir alles selbst gemacht“, erinnert sie sich.
Mittendrin im Ort zu sein ist zwar schön. Doch über die Jahre und Jahrzehnte wurde es immer unangenehmer. Denn der Verkehr nahm stetig zu. „Am schlimmsten sind die Laster“, sagt Angelika Meier. Wenn die über die enge Straße poltern, dann vibriert es selbst in ihrem Hinterhaus. Das liegt zwar ein paar Meter von der Straße weg. Doch durch den Hof schallt der Straßenlärm geradewegs Richtung Küchen- und Schlafzimmerfenster.
Eine Entlastung? Auf die hoffte Angelika, seit sie nach Karben zog. „Schon 1961 war eine Umgehungsstraße im Gespräch“, erinnert sie sich. Doch von da an sollte es 55 Jahre dauern, bis die Meiers zum ersten Mal darüber fahren konnten.
Das ist für die beiden so wichtig, weil ihnen die neue Straße verlorene Lebensqualität zurückgibt – in Form von Ruhe. „Es ist schon am Morgen danach aufgefallen“, sagt Peter Meier. Mit „danach“ bezieht er sich auf die Eröffnung der Nordumgehung am 30. November. Bis zu einem halben Jahr könne es dauern, bis sich die Autofahrer an die neuen Fahrmöglichkeiten gewöhnt haben, hatten Fachleute prophezeit. Nein, schüttelt Peter Meier den Kopf. „Es ist ganz plötzlich viel weniger Verkehr.“
Kein Wunder: Um zwei Drittel soll dank der Umgehung die Verkehrsmenge sinken. Von bisher 15 800 auf 4500 Fahrzeuge pro Tag. Besonders spürbar sei dies, weil sich die Zahl der Lastwagen schlagartig reduziert habe, sagt Peter Meier.
Verkehr rollt flüssig
Zudem führen morgens wie abends im Berufsverkehrs die Autos nur noch vereinzelt durch die Straße. „Das waren doch immer Autoschlangen, Stoßstange an Stoßstange“, erinnert sich Angelika. „Da brauchte man zehn Minuten, um mal mit dem Auto aus der Einfahrt herauszukommen.“
Den Eindruck der Meiers bestätigt Ekkehart Böing. Gegen halb acht morgens hat der Verkehrsplaner aus dem Rathaus eine Zeit lang intensiv den Verkehrsfluss in Augenschein genommen. Das Bild war ein gänzlich anderes als noch vor Tagen. Da reichte ein langer Stau durch die Bahnhofstraße bis in die Heldenberger Straße. Diesmal aber: „Es kommen nur noch vereinzelte Autos aus Groß-Karben“, erklärt Böing.
Die Staus, oft noch über den Kreisverkehr hinausgehend Richtung Süden, sind passé. „Das funktioniert ganz gut“, ist der Verkehrsplaner zufrieden. „Die Nordumgehung ist wirklich spürbar.“
Peter Meier kann Ekkehart Böings Beobachtungen auch für die nachmittägliche Rush-hour bestätigen: Deutlich weniger Autos als früher bögen aus Richtung Stadtzentrum kommend aus an der Gehspitze in Richtung Groß-Karben ab.
Beim Berufsbildungswerk Südhessen (BBW) hat sich die neue Strecke längst rumgesprochen: „Viele unserer Mitarbeiter nutzen sie und freuen sich über den Zeitgewinn“, sagt Geschäftsführer Torsten Denker. Das BBW steht genau am West-Ende der Umgehung.
Ein Problem für das BBW? Nein, schüttelt Denker den Kopf und zeigt die große Lärmschutzwand. „Das kompensiert den nun zunehmenden Lärm“, erklärt er.
„Die Umgehung fährt sich wirklich angenehm“, sagt Peter Meier Und mit seiner Frau genießt er die Vorteile. „Besonders abends spüren wir das“, sagt Angelika Meier. „Dann fährt fast niemand mehr hier durch.“ Einschlafen fällt so viel leichter als früher.