Bad Vilbel. Großes Verständnis zeigten gestern Patienten und Kunden für den Streik der Ärzte und Apotheker. Die Apotheken in der Innenstadt waren verwaist wie an Wochenenden. „Wieso haben die heute zu“, wunderte sich eine Dame. Doch sie gestand, dass sie von den aktuellen Debatten noch nichts gehört habe, weil sie gerade erst von einer zweimonatigen USA-Reise zurückgekehrt sei. Ansonsten waren die Apothekenkunden offenbar sehr gut informiert. Auch vor den Praxen gab es weder Schlangen noch Proteste.
Manche Ärzte hatten allerdings ein Schild an der Tür hängen, dass geschlossen sei, weil die Gesundheitsreform „nicht nur Patienten Veränderungen und Verdruss“ beschere, dennoch waren die Türen mitunter offen und Patienten wurden auch ohne Voranmeldung hereingelassen. Viele Fachärzte beteiligten sich zudem gar nicht an der Protestaktion, während die Apotheken komplett dicht machten – mit Ausnahme der Dortelweiler Brunnen-Apotheke, die Notdienst hatte.
„Ich find’s in Ordnung“, mit dieser Ansicht traf eine Patientin gestern den Tenor der Meinung. „Die Gesundheitsreform ist gar keine“, fand eine andere Dame. „Ich finde, es sollten viel mehr Ärzte streiken, damit sich was ändert“, meinte eine junge Frau.
Wenig Sympathie für die Reform von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte Waltraud Schleidt. Sie sei wenig durchdacht und bringe den Patienten keinerlei Vorteile. Dafür blähe sie hingegen „die Wasserköpfe der Krankenkassen-Verwaltung“ weiter auf, und die Pharma-Industrie werde nicht zu einschneidenden Kostensenkungen gezwungen. Auch die Friedbergerin Erna Pfetzing kann den Streik verstehen. Immer mehr teure, aber wirksame Medikamente würden nur noch auf Privatrezept verschrieben, was sich viele Patienten nicht leisten könnten. Ärzte, „die ihren Patienten etwas Gutes tun wollen“, würden schlechter bezahlt, weil sie sich mehr Zeit nähmen, als sie abrechnen könnten. Wie viele Ärzte gestern gestreikt hätten, wisse er nicht, erklärte der Bad Vilbeler Mitkoordinator und Allgemeinarzt Ansgar Schultheis. Er war beim Ärztlichen Notdienst im Quellenhof tätig, wo bereits bis mittags zehn bis zwölf Patienten versorgt werden mussten. Das entspreche der Nachfrage an normalen Wochenenden. Die meisten Patienten seien wegen akuter grippaler Infekte gekommen, berichtete Schultheis. Dass manche Fach-Praxen offen hätten, sei im Übrigen bei der Protestaktion so vereinbart worden.