An der Kurt-Schumacher-Schule in Karben herrscht seit Schuljahresbeginn eine Ausnahmesituation: Beide Spitzenposten der Schul- leitung sind unbesetzt. Und noch eine dritte Vakanz schwächt das Führungsteam. Die verbliebenen Lehrer schmeißen den Job gemeinsam, verbunden mit einem – noch – leisen Hilferuf.
Karben. Es fühlt sich an wie ein ganz normales Schuljahr. Naja, außer dass die Wanderwoche nun direkt nach den Sommerferien liegt statt bisher davor. Außer dass zwei Kunstlehrer erkrankt sind. Aber sonst könnte man an der Kurt-Schumacher-Schule (KSS) fast meinen: Es ist ja gar nichts.
„Darauf bin ich eigentlich ganz stolz“, sagt Stephan Mierendorff (48). Seit drei Jahren leitet er die Oberstufe an der „Kurt“. Seit August ist er kommissarischer Schulleiter. Die mit 1250 Schülern größte allgemeinbildende Schule der Wetterau wäre sonst führungslos.
Nicht nur Schulleiter Franz Wild hatte die KSS zuvor verlassen. Er ist nun Oberstufenleiter in Wölfersheim. Auch Konrektorin Sonja Parr ging und führt nun das Gymnasium in Nidda. Damit nicht genug: Haupt- und Realschul-Zweigleiter Daniel Dietz ist ans Schulamt abgeordnet, seine Kollegin Silvia Schrag erkrankt. Das von Wild auf zehn Köpfe aufgebaute Schulleitungsteam ist somit auf sechs Personen geschrumpft.
Vier Lehrer fehlen
Wie kriegen die sechs es hin, dass der Betrieb doch läuft? „Mit viel Manpower und viel Engagement“, erklärt Mierendorff. Er selbst hat für den Chef-Job seine Unterrichtstätigkeit an den Nagel gehängt. Allein den Geschichtskurs der Qualifizierungsphase Q3 will er im Abiturjahr nicht abgeben.
Zugute komme der Schule nun das Konzept von Franz Wild, der die Leitungsaufgaben auf viele Schultern verteilt habe. „Da kann man jetzt gut darauf aufbauen“, lobt Stephan Mierendorff. Erst aber muss er sich im Ordnungssystem von Franz Wild und Sonja Parr zurechtfinden. „Das ist zwar sehr gut organisiert, aber ich muss erst lernen, wie es funktioniert.“
Letztlich krempeln alle 105 Lehrer derzeit die Ärmel hoch. „Ich habe viel Unterstützung angeboten bekommen“, sagt der Studiendirektor dankbar. Um die Lücke in der Führung des Haupt- und Realschulzweigs zu füllen, haben Thorsten Dere, Christine Heupel, Oliver Knopp und Wilk Krüger die Aufgaben gemeinsam übernommen.
„Ich bin richtig stolz, wie das Kollegium alles schafft“, erklärt der kommissarische Schulleiter. Was nicht nur für das Engagement gelte, sondern auch den Gleichmut, „auch ’mal kleine Unzulänglichkeiten hinzunehmen“. Schlicht, weil manches einfach länger dauere. Das erste Problem des Alltagsbetriebs traf die dezimierte Schulleitung schon vor dem ersten Schultag. Vier Lehrer, die per Zeitvertrag anfangen sollten, sagten drei Tage vor dem ersten Schultag ab. Böse ist ihnen Stephan Mierendorff nicht: Die vier bekamen andernorts eine unbefristete Anstellung als Beamte.
Die KSS aber musste erstmal „mit Lücken ins Schuljahr“ starten, so der derzeitige Direktor. In der ersten Woche mit viel Projektarbeit fiel das weniger auf.
Nach vielen Telefonaten hatten Mierendorff und sein Team Erfolg. Zur zweiten und dritten Woche konnten neue Kollegen anfangen. Die derzeit schwierige Phase komme für die Schule immerhin nicht im ungünstigsten Moment, weiß der Interimschef. „Wir haben viel geschafft in den vergangenen Jahren.“ Das Schulprogramm sei fertig, der Bau durchsaniert – mit Ausnahme der Fassade des Altbaus. Weitergehen soll die Neugestaltung des Außengeländes.
Die Vakanzen in der Schulleitung hielten auch die konzeptionelle Arbeit nicht auf. Dazu gehört die Verlegung der Wanderwoche. Ebenso will die KSS weiter für eine dritte Stelle für die Schulsozialarbeit kämpfen. Auch steht die Diskussion mit der Schülerschaft über Handynutzung in der Schule an.
Während die Integration von Flüchtlingskindern dank des Engagements von Lehrerin Beatrix Rinkart „unauffällig“ laufe, sei die Inklusion behinderter Schüler in den Regelunterricht unverändert eine Herausforderung. „Die Kollegen fühlen sich partiell allein gelassen mit den Problemen“, sagt Stephan Mierendorff. Letztlich genüge die Personalausstattung trotz Hilfe von der Bad Vilbeler Brunnenschule schlicht nicht. Wie es dennoch klappen solle, sage das Kultusministerium nicht. „Das führt zu Frust“, weiß der kommissarische Leiter.
Die Verantwortung für die gesamte Schule möchte Stephan Mierendorff möglichst bald wieder abgeben. Bis Februar will Hessens Kultusministerium die Chef-Stelle neu besetzt haben. Um etwa ein halbes Jahr versetzt läuft das Besetzungsverfahren für die Konrektor-Stelle.
Hin- und hergerissen ist an Mierendorff auch, was die positive Bilanz der Interims-Schulleitung betrifft. „Nicht, dass noch jemand auf die Idee kommt: Es klappt auch so.“ Dass der Betrieb gut laufe, liege allein am besonderen Engagement des Kollegiums. „Die schwierige Situation schweißt zusammen“, weiß Mierendorff. „Aber das funktioniert nur über begrenzte Zeit.“ (den)