Keine Gewalt! Von diesen zwei Worten hing am 9. Oktober 1989 in Leipzig alles ab. 70.000 Menschen gingen an diesem frühen Montagabend in Leipzigs Innenstadt auf die Straßen, um gegen den totalitären Staatsapparat der DDR zu demonstrieren. Die militärische Niederschlagung der Demonstration war von der SED bis hin zum vorab erteilten Schießbefehl minutiös geplant. Doch die Demonstranten traten den Tausenden von Volkspolizisten und Soldaten der NVA bloß mit ihrem Ruf: „Keine Gewalt!“, mit Liedern und Kerzen gegenüber.
Dieser 9. Oktober 1989 war die große Bewährungsprobe für die seit 1982 stattfindenden Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche. Tatsächlich verhielten sich alle Demonstranten friedlich. Niemand ließ sich provozieren. Und so vermochte kein Soldat und kein Polizist auf das eigene Volk zu schießen. Nachdem die Demonstranten den Innenstadtring passiert hatten und ungehindert an ihrem Ausgangspunkt angekommen waren, war die DDR nicht mehr dieselbe. In den Tagen danach wurde immer deutlicher, dass dies der Durchbruch war. Der Rücktritt Honeckers und des Politbüros, der Fall der Mauer und schließlich ein Jahr später die Wiedervereinigung waren die Folgen dieses 9. Oktobers 1989. Die friedliche Revolution hat sich ereignet, weil Menschen dem Wirken Gottes vertrauten. Es gab natürlich noch andere Gründe: Die DDR war bankrott, die UdSSR im Zerfall… Aber es hätte eben auch alles anders ausgehen können, nämlich blutig und gewalttätig.
„Keine Gewalt!“ Diese Botschaft Jesu aus der Bergpredigt wurde an diesem Abend aus den Kirchen auf die Straße getragen. „Wir hatten alles geplant, wir waren auf alles vorbereitet, aber nicht auf Kerzen und Gebete“, so beschrieb Horst Sindermann, der Präsident der Volkskammer der DDR, später die Ereignisse des 9. Oktober.
In diesen unruhigen Tagen ist es gut sich daran zu erinnern, dass gesellschaftliche Konflikte auch friedlich und gewaltfrei gelöst werden können. Ich möchte Sie dazu ermutigen immer wieder Ihren Teil dazu beizutragen.
Maurice Meschonat
Vikar der Ev. Christuskirchengemeinde Bad Vilbel