Bad Vilbel/Karben/Wetterau. Die Schüler im Wetteraukreis sollen künftig länger schlafen – so will es zumindest die FDP. Die Kreistagsfraktion der Liberalen hat in der jüngsten Kreistagssitzung mit den Stimmen von CDU, FWG/UWG und den Grünen den Antrag durchgebracht, den Unterrichtsbeginn auf 9 Uhr zu verlegen. Dies entspreche besser dem „menschlichen Biorhythmus“, argumentierte der Vize-Fraktionschef Jörg-Uwe Hahn. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge befänden sich Kinder frühmorgens „in einem Leistungstief“. Weil bei einem späteren Unterrichtsbeginn die Kinder länger in der Schule blieben, sollten sie laut FDP-Forderung zu Ganztagsschulen ausgebaut werden.
Die Entscheidung über einen späteren Unterrichtsbeginn liege jedoch bei den Schulen selbst – der Kreis solle und könne nur jene Einrichtungen unterstützen, die sich bereit erklären, den Lernstart um 9 Uhr in einem Modellversuch zu testen. „Wir denken dabei an ein Jahr, nachdem eine umfassende Auswertung über den Kreis oder das Staatliche Schulamt folgen soll“, erklärt FDP-Fraktionschef Wolfgang Patzak. Er ist Schulleiter der Limesschule in Altenstadt und für ihn kommt eine Beteiligung an dem Projekt nicht in Frage: „Es gibt bei uns an der Schule Teilzeitkräfte, die nicht nachmittags arbeiten wollen“, begründet Patzak. Daher sei der spätere Start in der Limesschule nicht durchsetzbar.
Auch bei weiteren Wetterau-Schulen stößt die FDP-Initiative nicht gerade auf Begeisterung: „Ein späterer Schulbeginn zieht so viele Änderungen mit sich, das muss sehr gründlich überlegt werden“, sagt Eckhard Immig, Leiter der Augustinerschule Friedberg. So müssten die Verkehrsgesellschaften die Fahrpläne von Bussen und Bahnen im Schulverkehr ändern. Zudem müsse eine sinnvolle Betreuung aufgebaut werden. „Das hat allerdings finanzielle Konsequenzen, die wohl nicht durchdacht worden sind“, meint Immig. Dabei habe es in den vergangenen Jahren im Schulbereich „genügend Schüsse aus der Hüfte“ gegeben.
Immig betont auch, dass viele Eltern ihre Kinder nachmittags selbst betreuen wollten. „Hinzu kommt, dass die Vereine sich sorgen, ob die Kinder ihre Angebote noch wahrnehmen, wenn sie so lange in der Schule sind.“
Auch Peter Troitzsch, Rektor des Georg-Büchner-Gymnasiums, weist darauf hin, dass bei einem späteren Schulstart der Unterricht zum Teil bis 18 Uhr dauern würde. „Wir müssen uns fragen, ob wir das wollen.“ Schon jetzt säßen Oberstufenschüler teils bis 17.30 Uhr im Unterricht.
Das Bad Vilbeler Gymnasium werde sich nicht für das Kreis-Projekt melden. Es hat im vergangenen Jahr den entgegengesetzten Weg eingeschlagen und den Unterrichtsbeginn von 8 Uhr auf 7.45 Uhr vorverlegt. „Unsere Schüler haben das bisher gut angenommen, so werden wir in der ersten Stunde eben gemeinsam wach“, meint der Schulleiter. Troitzsch weist ebenso wie sein Amtskollege Immig darauf hin, dass man mit einem späteren Schulstart zugleich die Betreuung für Kinder ausbauen müsse, die früher zur Schule kämen.
Ähnlich sieht es Hans-Jobst Krautheim, Direktor der Kurt-Schumacher-Schule in Karben. Er selbst stehe einem späteren Unterrichtsbeginn positiv gegenüber, aber eine „sinnvolle Betreuung“ sei wichtig. Zudem gebe es zurzeit „unglaublich viele Baustellen“ für Schulen. Das reiche vom Aufbau von Ganztagsangeboten über die Verkürzung der Gymnasiumszeit auf acht Jahre bis zu den einheitlichen Prüfungen für Haupt- und Realschüler. „Das sind riesige Umstellungen, die wir erst einmal bewerkstelligen müssen.“ Das Thema späterer Schulstart stehe entsprechend nicht ganz oben auf der Prioritätenliste. „Die Sicherung der Unterrichtsqualität ist uns zunächst einmal wichtiger“, argumentiert Krautheim. (FNP/sam)