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Wo die Natur wuchert

Ein Jahr nach der Nidda-Renaturierung sind bereits die ersten Erfolge zu verzeichnen

Vor einem Jahr waren diese Inseln in der Nidda noch ein Steinhaufen, inzwischen sind sie bewachsen. Der Fluss ist sein eigener Landschaftsarchitekt. Foto: Zöllner
Vor einem Jahr waren diese Inseln in der Nidda noch ein Steinhaufen, inzwischen sind sie bewachsen. Der Fluss ist sein eigener Landschaftsarchitekt. Foto: Zöllner

Es gab viele Diskussionen um die Nidda-Renaturierung in Richtung Dortelweil. Im vergangenen Jahr wurde sie in Angriff genommen. Unter der Leitung des Gewässerökologen Gottfried Lehr verschwand ein Teil der Kanaleinfassung, ein neues Flussbett wurde ausgebaggert. Nun sind in der Natur die ersten Erfolge sichtbar.

 

Karben. Kühle Luft weht über die Nidda. Während sich die Sonne noch schwer tut und sich durch die dunklen Wolken kämpft, fliegt eine Ente laut quakend über den Fluss. „Immer, wenn ich eine Ente höre, denke ich, das ist mein Handy“, sagt Gottfried Lehr und lacht. Er steht am Aussichtspunkt der im vergangenen Jahr renaturierten Nidda in Richtung Dortelweil. „Es ist immer wieder schön, wenn man sieht, wie sich alles entwickelt“, sagt er und genießt den Anblick. Schon jetzt haben sich mehrere Bäume, wie eine Weide, einen Platz erobert. Die aus dem Kanalaushub aufgeschütteten Inseln sind inzwischen bewachsen, direkt dahinter haben sich Sandbänke abgelagert.

Stolz ist Lehr in jedem Fall, wenn er sich ansieht, was sich die Natur inzwischen zurückerobert hat. „Es gab ja Menschen, die die Renaturierung als kleinräumige Biotopbastelei bezeichnet haben. Jetzt sieht man ja, was daraus geworden ist“, sagt Lehr zufrieden. „Wir haben Hilfe zur Selbsthilfe gegeben. Der Fluss ist sein eigener Landschaftsarchitekt.“ An einigen Stellen gräbt er sich sein Bett weiter aus, Pflanzen kommen von alleine. Der Blutweiderich blüht derzeit markant lila und bildet so immer wieder Farbtupfer. „Die Schwanenblume ist extrem selten, aber an mehreren Stellen der Nidda wächst sie“, sagt Lehr.

Die Barbe ist zurück

In der Nähe ist der Eisvogel zu hören, der sich an der Nidda angesiedelt hat. Daneben sind noch mehr Arten zurückgekommen, von denen es am Fluss schon lange keine Populationen mehr gegeben hat. „Der Bieber ist natürlich der markanteste Bewohner, der wird sich hier in naher Zukunft, denke ich, auch weiter ausbreiten“, sagt Lehr.

Denn der erobert sogar schon die Bad Vilbeler Stadtmitte, wo der Fluss ebenfalls in mehreren Abschnitten renaturiert wurde. Auch die Barbe ist wieder heimisch. „Die galt an der Nidda fast als ausgestorben“, sagt Lehr. Im Main habe es noch eine Restpopulation gegeben, fast zehn Jahre habe es gedauert, dass sie in Teilbereichen wieder dominant sei. „Wir haben sie sogar bis in die Usa nachgewiesen“, sagt der Gewässerökologe. Ebenfalls zurückgekehrt sei die Nase.

„Der Fisch braucht verschiedene Strukturen im Fluss, um überleben zu können. Stromschnellen ebenso wie Stillgewässer und Abbruchkanten. Außerdem wandert er gut und gern 50 bis 60 Kilometer“, erklärt Lehr. In der Nidda sind jetzt 40 Kilometer ohne Wehre, sogenannte Fischpässe sind in Frankfurt angelegt worden, damit die Fische diese überwinden können. Im Fluss fühlt sich auch die Meerforelle wieder wie zu Hause. „Die schwimmt zur Nordsee und zurück“, sagt er. Lehr vermutet, dass sich sogar Lachse ansiedeln könnten.

Der Gewässerökologe wünscht sich jetzt nur, dass die Menschen etwas Rücksicht auf die Natur nehmen. „Wir haben direkt am Radweg einen Aussichtspunkt errichtet, von dem die Leute auch runter an die Nidda können. Auch in der Stadt soll es ja Erlebnispunkte geben, in der Hoffnung, dass andere Flussbereiche in Ruhe gelassen werden“, so Lehr. In einem Punkt seien aber viele Hundebesitzer oft taub: In der Brut- und Setzzeit sieht nicht nur er immer wieder freilaufende Vierbeiner. „Ansprechen der Herrchen nutzt oft gar nichts, die werden meist aggressiv.“