Etwa vier bis zehn Flüchtlinge landen pro Woche neu in Bad Vilbel. Angesichts früherer Zahlen ein deutliches Signal für die Verantwortlichen der Stadt, sich nun um Problemfelder zu kümmern, die bislang nicht angegangen werden konnten. Doch trotzdem wird auch weiter an neuen Einrichtungen gebastelt – um bei einem neuen Anschwellen der Zahlen nicht überfordert zu sein.
Bad Vilbel. Die Prioritäten sind klar: „Vordringliches Ziel bleibt es, das Georg-Muth Haus auf dem Heilsberg leer zu bekommen“, sagen Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) und Sozialdezernentin Heike Freund-Hahn (FDP) unisono. Bereits seit sieben Monaten leben hier 40 und mehr Menschen in einer Halle, Privatsphäre gibt es nur hinter Vorhängen, die die Stockbetten voneinander abtrennen.
In Bad Nauheim, wo Flüchtlinge im Sportlerheim in der Hauptstraße untergebracht sind, hat dies schon wiederholt zu Polizeieinsätzen geführt. Auch von Selbstmordgedanken der Bewohner ist die Rede (die FNP berichtete). „Das ist hier bei uns nicht der Fall“, ist die städtische Flüchtlingskoordinatorin Susanne Förster erleichtert. Das liege aber vor allem daran, dass sich Nachbarn und der Verein „Flüchtlingshilfe – Willkommen in Bad Vilbel“ rührig um die Menschen im Georg-Muth-Haus kümmerten.„Der Verein hat inzwischen 160 Mitglieder, fast alle sind aktiv tätig“, freut sich Susanne Förster über den großen Rückhalt in der Bevölkerung. Und er sei sachbezogen aktiv. Es gibt Deutschkurse, Hilfen im Alltag, eben das, was die Geflüchteten am dringendsten benötigen. „Im Oktober bieten wir einen Fahrradkurs an, auch das ist wichtig“, sagt Förster.
Doch es gibt auch noch zahlreiche Hürden und Tücken im System. So ist laut Förster die Vorgehensweise der Ämter nicht immer durchsichtig. „Manche bekommen ihre Anerkennung richtig schnell, andere warten ewig – trotz gleicher Voraussetzungen. Das spricht sich unter den Betroffenen natürlich herum“, bedauert sie. Auch erinnert sie sich an ein mobiles Registrierungsteam aus Gießen. „Die hatten völlig falsche Listen dabei. Viele waren bereits bei uns registriert“, wundert sie sich über das Tohuwabohu.
Auch nach der Anerkennung gibt es Probleme. So kann die Familie erst nachziehen, wenn eine geeignete Wohnung gefunden ist. Die aber wird vom Kreis nicht bezahlt, so lange dort nur ein Mensch wohnt. Der Beginn einer Köpenickiade, die nur durch hilfsbereite Menschen zu lösen ist. So wie im Fall der Familie Akraa, hier hat der Vermieter die Mietzahlungen bis zum Einzug der Familie einfach erlassen (die FNP berichtete).
Doch an diesen Vorgehensweisen kann die Stadt ja nun wenig ändern. Vielmehr müsse sie sich für die Zukunft wappnen, lässt Bürgermeister Stöhr anklingen. Und die Stadt ist hier sehr aktiv: Bereits jetzt laufen die vorbereitenden Arbeiten für Container-Unterkünfte in der Huizener Straße (die FNP berichtete). Am Montagnachmittag erreichte dazu auch ein Fax das Bürgermeisterbüro. „Die Beschwerden der Anwohner, die gerichtlich gegen das Vorhaben vorgegangen sind, wurden vom Verwaltungsgericht Gießen nicht anerkannt. Die Stadt kann ihr Bauvorhaben weiter fortsetzen, auch wenn die Anwohner nun die nächsthöhere Instanz anrufen könnten. Die Container dürfen dort bis maximal 2019 stehen.
Über den nächsten Schritt berät das Stadtparlament am kommenden Dienstag. Denn der inzwischen ausgeschiedene Erste Stadtrat Jörg Frank (CDU) hat aus Landesmitteln rund 880 000 Förderung für die Errichtung von Micro-Apartments in Holzbauweise im Rodheimer Weg angeleiert (die FNP berichtete). 80 Prozent des Darlehens werden vom Land getilgt, die Stadt muss nur 20 Prozent abzahlen. Und die Wohnungen können später weiter genutzt werden, von Studenten oder Schauspielern bei den Burgfestspielen. Veranschlagt ist der Bau mit rund 1,4 Millionen Euro an Kosten. Doch die Apartments sind klein, für Familien nicht nutzbar. Für den dritten und entscheidenden Schritt müssen dickere Bretter gebohrt werden. So laufen unter Federführung von Stadtrat und Stadtwerke-Chef Klaus Minkel (CDU) die Planungen für 60 Sozialwohnungen. „Schaut man sich in der Region um, dann ist das schon eine beachtliche Zahl“, sagt Stöhr. Doch hier müsse man auf Fairness achten. Einziehen soll eine „gesunde Mischung“ aus Geflüchteten und bereits seit langem hier sesshaften Menschen mit Ansprüchen auf geförderte Wohnungen. „Momentane Prognosen sind Kaffeesatzleserei. Aber wir müssen immer damit rechnen, dass wieder mehr Flüchtlinge kommen“, sagt Freund-Hahn. Dann braucht es neue Lösungen. Und schließlich sind auch die Unterkünfte im ehemaligen Rathaus und im Kurmittelhaus nicht gerade ideal“, fasst Stöhr zusammen.