Der Bau der Neuen Mitte in Bad Vilbel schreitet voran. Um Platz zu schaffen für den Baustellenverkehr, drängt die Stadt den 30er-Bus ab dem 1. August aus der Innenstadt hinaus. Vorfahrt für Lastwagen? Das macht die Fahrgäste sauer.
Bad Vilbel. Kummer sind sie ohnehin gewöhnt, die Fahrgäste der Linie 30. Dass der Bus einmal ohne Verspätung ankommt, passiert nicht häufig. Oft sind es Lieferfahrzeuge, Falschparker oder rangierende Lastwagen, die die Busse in der engen Frankfurter Straße in Bad Vilbels Innenstadt aufhalten. Sieht man es positiv, dann sind solche Verzögerungen in Kürze fürs erste Geschichte. Denn der 30er-Bus wird ab 1. August nicht mehr durch das Herz Bad Vilbels, den Einkaufsbereich der Frankfurter Straße, fahren.
600 m Fußweg extra
Statt mitten durch die City fahren die Busse zwischen Süd- und Nordbahnhof via Kasseler Straße – und zwar „bis voraussichtlich Frühjahr 2013“, kündigt die Straßenverkehrsbehörde an. Was zugleich bedeutet: Für die Fahrgäste werden die Fußwege viel länger. Sie sollen an der Haltestelle Niddastraße (vor dem Hotel am Kurpark) auf der anderen Seite der Nidda ein- und aussteigen statt am Zentralparkplatz oder am Alten Rathaus. Macht ohne weiteres 600 Meter Fußweg extra. Und das ein Dreivierteljahr lang.
„Das ist schon sehr extrem“, findet Jürgen Priem, der Sprecher des Fahrgastbeirates für den Wetteraukreis. „Da muss man noch einmal drüber nachdenken“, fordert er. Das sei durchaus geschehen, sagt Bad Vilbels Verkehrsstadtrat Jörg Frank (CDU). Ursache für die Veränderung sei der Fortschritt in der Neuen Mitte: Weil Ende des Monats der Bau der Bibliothek auf der Niddabrücke beginne, könne jene nicht mehr für den Baustellenverkehr genutzt werden.
Der müsse deshalb über die Frankfurter Straße abgewickelt werden. Damit es dort nicht zu noch mehr Stockungen komme, sei es am besten, den 30er-Bus herauszunehmen. „Er ist mit seinen Ziehharmonikabussen das größte Fahrzeug.“ Vor allem sei die Linie 30 bei der Fahrt in Richtung Nordbahnhof „verkehrlich nicht so wichtig“: Bloß 106 Fahrgäste stiegen täglich an den drei innerstädtischen Haltestellen aus, erklärt Erster Stadtrat Jörg Frank.
Vilbusse fahren
„Und für die Fahrgäste gibt es den Vilbus als Alternative, der ja weiter durch die Frankfurter Straße fährt.“ Diese Busse sind wendiger, könnten Engstellen besser umkurven. Die Argumente leuchten Fahrgast-Sprecher Priem durchaus ein: „Ich habe ja auch kein Patentrezept.“ Mindestens müsse der Vilbus öfter fahren. Einfach so die Fahrgäste herauszudrängen, sei keine gute Lösung. „Das ist fußläufig schon sehr weit.“ Auch die Geschäfte dürften den Wegfall der Linie spüren, schätzt Priem. „Gerade ältere Kunden kommen dann nicht mehr so.“ Der Vorteil der Linie 30 sei, dass sie direkt in die Einkaufsstraße fahre. Auch hänge die Stadt mit der Lösung nun auch Teile der Innenstadt zeitweise vom öffentlichen Nahverkehr ab: Anders als die Vilbusse ist die Linie 30 auch abends und am Wochenende unterwegs.
Die Baustelle sei notwendig, ebenso der Verkehr dorthin, gibt Jürgen Priem zu. Auch dass die Geschäftsleute den Autoverkehr in die Straße als wichtig ansehen, mag der Fahrgastvertreter nicht geißeln. „Aber es braucht hier einen ausgewogenen Kompromiss, und den sehe ich nicht.“ Ansetzen solle die Stadt beim Baustellenmanagement, um die Neue Mitte trotz des Baus auf der Brücke weiter weitgehend von der Kurhaus-Seite andienen zu können.
Autos haben Vorrang
Genau das geschehe weiterhin, hält Stadtrat Frank dagegen. Per Kran werde weiterhin viel Material von der Kurhausseite über die Nidda zur Baustelle der Neuen Mitte gehievt. Außerdem gebe es eine ausgefeilte Koordination für den Baustellenverkehr samt einer Wartefläche für Lkw am Heilsberg. Die Umleitung habe zuletzt beim Bau des Kreisverkehrs in der Kasseler Straße gut funktioniert. Und den Autoverkehr herausnehmen? Das scheue er „wie der Teufel das Weihwasser“, räumt Jörg Frank ein. Die Erreichbarkeit der Innenstadt per Auto sei „dringender Wunsch“ der Einzelhändler gewesen. „Wir wollen den Individualverkehr ganz bewusst dort in der Straße haben.“ (den)