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30 Jahre alt und doch ganz neu – BBW steht vor ganz neuen Wegen

30 Jahre Berufsbildungswerk Südhessen lautet die Überschrift für ein feierliches Veranstaltungsprogramm, das sich nicht zufällig über ein ganzes Jahr hinzieht. Es sollen nämlich das BBW, das bereits im Winter 1982 mit den ersten Ausbildungen begonnen hat und die am 1. August 1984 eröffnete Staatliche Berufsschule auf dem gleichen Gelände bei Okarben „unter einen Hut“ gebracht werden.

Karben. 30 Jahre ist also eine runde Zahl und ein Anlass, die Ausbildungsstätte für junge Menschen mit körperlichen wie psychischen und geistigen Einschränkungen in das Blickfeld der Öffentlichkeit zu bringen. Renée-Eve Seehof, Leiterin des BBW, und Schulleiter Detlef Schwenger: „Wir nutzen das Jubiläum für alle, die uns interessieren und die sich für uns interessieren. Angestrebt wird eine noch bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten“.

Der Jahresreigen der Feierlichkeiten umfasst unter anderem einen Tag der offenen Tür zum Auftakt am Freitag, 23. August und zwei Fachtagungen Ende Oktober und voraussichtlich auch im Juni nächsten Jahres. Thema der Tagung am 30. Oktober ist die Inklusion, also die Teilnahme der Behinderten am normalen Arbeitsleben, die Veranstaltung richtet sich an ein Fachpublikum. Das Podium ist mit namhaften Experten besetzt, wie etwa die an multipler Sklerose erkrankte Tierärztin Sigrid Arnade, die sich auch auf internationaler Ebene für die Gleichstellung behinderter Frauen einsetzt. Ebenfalls eingeladen ist der Autor Dieter Basener. Die Tagung ist für ein Fachpublikum gedacht.

Eine Festschrift ist übrigens nicht geplant. Stattdessen werden Beteiligte, von den Azubis bis zu Firmen und Institutionen, ihre Eindrücke vom BBW in einem Magazin darlegen. Die Schüler wollen in einem Kochbuch ihre Lieblingsgerichte veröffentlichen.

Hürden der UN

Das Jubiläum findet in einer Zeit des Umbruchs statt. Über allem schwebt die Behindertenkonvention der Vereinten Nationen, die das Recht aller Behinderten auf Bildung, zum Erlernen eines Berufs und auf Arbeit fordert.

Unverhohlene Skepsis zeigt Renée Seehof bei dem diskutierten Vollzug der UN-Konvention, der in einer Abschaffung der besonderen Förderschulen gipfelt – was laut Seehof beispielsweise der Brunnenschule in Bad Vilbel große Sorge bereitet. Schon die Verminderung der Klassenstärken von 22 in den Regelschulen auf ein Drittel mit Rücksicht auf Lernbehinderte und der Personalaufwand etwa seien schwer zu meistern. „Das BBW wird jedenfalls als Spezialdienstleister Hilfe anbieten“, sagte Seehof. Sie und Detlef Schwenger bekennen sich zum Fortbestand der Institutionen. Seehof: „Ich befürchte nicht den Fortbestand des BBW Südhessen. Wir werden den Aufgaben der Zukunft mit Qualität, Offenheit, Flexibilität und Vernetzung begegnen.“

„Wir müssen uns auf dem Markt behaupten mit speziellen Förderangeboten in einem sich stark wandelnden Umfeld“. Das bedeute vor allem eine Entwicklung weg von dem Labor der Behindertenwerkstätten hin zu erweiterter Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Sie vertraue, dass trotz der Tendenz zur Marktliberalität auch bei Arbeitsverhältnissen eine soziale Arbeitsmarktpolitik immer Verfechter finde. Seehof betont, dass es Auslagerungen geben werde, wie heute in Offenbach, künftig in Frankfurt, Darmstadt und/oder Wiesbaden. „Aber der Sitz des BBW Südhessen wird in Karben bleiben“. (hgm)